Jeden Tag sind wir von ihnen umgeben. Sie zeigen an, wo die Grenze ist, sie versperren den Weg, sollen aber auch schützen und bewahren. Meistens sind sie aus Steinen gebaut oder aus Betonplatten, manchmal auch aus Holz oder Metall oder Gips… Sie sind unterschiedlich hoch und manchmal auch gut bewacht oder umkämpft. Ich rede von Mauern. Auch wir hier sind von jeder Menge Mauern umgeben. Unsere Kirchenwände sind hohe Mauern, die uns gerade heute schützen vor Kälte und Schnee.
Mauern ziehen eine Grenze. Hier geht’s erstmal nicht weiter. Aber es ist nicht grundsätzlich unmöglich Mauern zu überwinden. Vor mehr als 30 Jahren schafften wir Deutschen das auf besonders eindrucksvolle Weise, als die Berliner Mauer stürzte, die unsere Nation 40 Jahre auf schmerzvolle Weise trennte.
Das sind die großen Ereignisse der Geschichte. Nun braucht es aber gar keine historischen Momente, um über Mauern zu gehen. Denn die größten Mauern sind nicht aus Stein, Stahl und Beton, sondern unsichtbar in unseren Köpfen.
Es sind Mauern des Pessimismus, die uns Tag für Tag Grenzen aufzeigen. Barrieren der Hoffnungslosigkeit, der Angst und des Zweifelns. Das wird nichts! Alles wird nur noch schlimmer! Ich kann und ich will auch nicht mehr!
Diese Sätze ziehen Mauern hoch und wiegen schwer (Stein in die Hand nehmen). Sie belasten im wahrsten Sinne des Wortes. Und dann haben solche Steine oft noch eine Eigenschaft: Sie vermehren sich und so wird die Mauer des Pessimismus in unserem Kopf immer höher.
Wie aber komme ich aus diesem Strudel der Sorge und Ängste, der Hoffnungslosigkeit und des Pessimismus raus? Schönreden, Probleme ausblenden, Sorgen verdrängen – das funktioniert nicht wirklich. Es kann eine Strategie sein, um kurz weiterzumachen, aber dann holen mich die Gedanken oft schnell wieder ein.
Die Gedanken sind da und in den allermeisten Fällen sind sie berechtigt. So viele Informationen stürzen täglich auf uns ein, Nachrichten die Angst machen: Wird der Corona-Virus auch zu uns kommen? Werde ich krank? Wie schlimm wird es werden? Kann man das überhaupt noch in den Griff kriegen? Wird der Terror immer schlimmer? Was kann ich schon tun gegen fundamentalistische Attentäter? Sollte ich überhaupt noch verreisen oder an größeren Veranstaltungen teilnehmen? Was hat das überhaupt alles für einen Sinn?
Mit diesen Gedanken hat sich schon eine riesige Mauer aufgebaut. Stein für Stein, Gedanke für Gedanke, wird die Barriere größer, der Pessimismus immer stärker.
Wie komme ich über diese Mauer hinweg? Der Beter des 18. Psalms sagt: Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen. (Ps 18,30)
Die Mauern stehen nicht für ewig und ich habe immer wieder die Chance sie zu überspringen. Gott hilft mir. Seine Kraft ist der größte Feind des Pessimismus. Gott schenkt Zuversicht und Hoffnung. Er sagt: Komm, lass dir helfen, du kannst mit mir über diese Mauer springen!
Und dann? Wenn ich das schaffe, dann bin ich drüben und dann ist Gott wieder weg? Nein, natürlich nicht. Denn diese Mauern haben immer zwei Seiten. Und Gott ist auf beiden Seiten dabei. Nicht alle Probleme lösen sich in Luft auf, wenn ich mit Gott über die Mauer springe. Das wissen wir. Aber Gott eröffnet uns einen neuen Blick, lässt uns von der anderen Seite auf die Mauer schauen und diese Seite heißt Optimismus und Zuversicht.
Zuversicht! Sieben Wochen ohne Pessimismus. Das ist die Herausforderung, der wir uns in den nächsten Wochen stellen wollen. Dabei wechseln wir immer wieder die Seiten. Und darum geht es: Diese Mauer ist überwindbar und sie hat zwei Seiten, wie unsere Steine.
Welche Mauersteine gibt es in ihren Köpfen? Gott will auch mit Ihnen über diese Mauern springen. Er begleitet uns, darauf vertraue ich fest. Und dabei ist es egal, wie ich diese Mauer überwinde, ob ich springe, hüpfe, eine Tür oder einen Umweg suche. Gott ist dabei. Er verlässt uns nicht.
Amen.