Predigt am Sonntag Judika (17.03.24) über 1. Mose 22,1-14 von Prädikant Dr. Wolfgang Brendel

Den Predigttext für den Sonntag Judika finden wir im ersten Buch Mose, Kapitel 22, die Verse 1-14 – Das Opfer Abrahams:

(1)Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham und sprach zu ihm: Abraham! Und er antwortete: Hier bin ich.

(2) Und er sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde.

(3) Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz zum Brandopfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, von dem ihm Gott gesagt hatte.

(4) Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von ferne.

(5) Und Abraham sprach zu seinen Knechten: Bleibt ihr hier mit dem Esel. Ich und der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wollen wir wieder zu euch kommen.

(6) Und Abraham nahm das Holz zum Brandopfer und legte es auf seinen Sohn Isaak. Er aber nahm das Feuer und das Messer in seine Hand; und gingen die beiden miteinander.

(7) Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham: Mein Vater! Abraham antwortete: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sprach: Siehe, hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer?

(8) Abraham antwortete: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer. Und gingen die beiden miteinander.

(9) Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz

(10) Schon fasste er nach dem Messer, um seinen Sohn zu schlachten.

(11) Da rief ihn der Engel des HERRN vom Himmel und sprach: Abraham! Abraham! Er antwortete: Hier bin ich.

(12) Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen.

(13) Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich im Gestrüpp mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes statt.

(14) Und Abraham nannte die Stätte »Der HERR sieht«. Daher man noch heute sagt: Auf dem Berge, da der HERR sich sehen lässt.

Herr, segne Du unser Reden und Hören durch deinen Heiligen Geist. Amen.

(Anmerkung des Predigers: Die Predigt beruht auf einer Vorlage von Pfr. Michael Wanner, Hohenhaslach)

Liebe Gemeinde!

Wir leben in Krisenzeiten: Flüchtlingskrise, Klimakrise, Finanzkrise, Gazakrise, Ukrainekrise und so weiter und so weiter. – Was bedeutet eigentlich Krise. Das Wort „Krise“ leitet sich aus dem Griechischen ab und kann „Beurteilung“, „Unterscheidung“ oder „Trennung“ bedeuten.  Da haben wir es – Krisenzeiten sind Prüfungszeiten. In solchen Zeiten wird alles auf die Probe gestellt.  Alles was wir für sicher und zuverlässig hielten, ist ins Schwanken gekommen – auch der Glaube, das Vertrauen zu Gott und die Liebe zu ihm. Es kommt zur Beurteilung und zur Unterscheidung. Wir trennen das wesentliche von dem unwesentlichen. Da tritt hervor, was verborgen war. Es stellt sich heraus, was der wahre Inhalt ist. Es zeigt sich, wie es wirklich ist. Und es wird auch deutlich, was uns trägt und was für uns Bestand hat. Das gilt im Großen für ein ganzes Volk, für die ganze Gesellschaft, aber auch im Kleinen für jeden einzelnen von uns – Da wird es ganz persönlich. Abraham wird in der Bibel „Vater des Glaubens“ genannt. Er ist so etwas wie der Prototyp eines Menschen, der Gott vertraut. Abrahams Gottvertrauen wurde immer wieder auf die Probe gestellt. Auch er hat in seinem Leben Prüfungszeiten erlebt. Seine schwerste Prüfung war die Prüfung der Bereitschaft, seinen einzigen Sohn herzugeben. Von Abraham können wir lernen, was es heißt, Gott zu vertrauen, aber auch, wie sich der Glaube in Prüfungszeiten bewährt. Von Abrahams schwerster Prüfung lesen wir im Predigttext, den wir eben gehört haben.

Wir erfahren darin, wie Gott Abraham geprüft hat. Sein Glauben und seine Liebe zu Gott werden auf die Probe gestellt. Es war nicht die erste Prüfung des Vertrauens zu Gott und der Liebe zum Herrn, die Abraham in seiner Beziehung zu Gott zu bestehen musste. Doch diese Prüfung stellte alle anderen vorhergehenden Prüfungen bei weitem in den Schatten. Im Grunde waren es zwei Prüfungsfragen, die Abraham von Gott gestellt wurden.

In der ersten Prüfung geht es um einen Liebesbeweis. Sie lautet:

„Bist du bereit, Abraham, deine Liebe zu mir dadurch zu beweisen, dass du deinen Sohn, das Liebste, was du hast, an mich hingibst und opferst?“

Die Zweite Prüfung ist der Treuebeweis:

„Bist du bereit, Abraham, deinen Glauben an mich dadurch zu beweisen, dass du mir weiterhin vertraust, ohne etwas in der Hand zu haben, auf das du dein Vertrauen stützen kannst?“

Alles, was wir auf Erden besitzen, haben wir nur von Gott geliehen. Wir besitzen eine Leihgabe Gottes auf Zeit. Gott gibt uns so ein Zeichen seiner Liebe zu uns.

Wenn wir Gott lieben und ihn mehr lieben als alles andere, heißt das, dass wir bereit  sind, ihm alles wieder zurückzugeben, was uns lieb und teuer ist und was wir besitzen. Hiob hat das gewusst, als er betete, nachdem ihm alles genommen worden war: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen. – Gelobt sei der Name des Herrn“ (Hiob 1,21)!

Abraham hatte schon viel hergegeben aus Liebe zu seinem Herrn. Die Heimat in der Stadt Ur in Chaldäa hatte er verlassen. Er hatte Abschied auf nimmer Wiedersehn  von seiner Familie nehmen müssen.

Auf sein Recht des Älteren hatte er verzichtet, als er seinem Neffen Lot den besseren Teil des Weidelandes überließ.

Und jetzt sollte er auch noch seinen Sohn hingeben, das Kind, das Gott ihm versprochen hatte und auf das er ein Leben lang gewartet hatte.

Jetzt ist noch dieser Vertrauensbeweis, den Gott auch noch von Abraham fordert.

Gott hatte Abraham versprochen, dass er ihn segnen werde. Er hatte versprochen, ihm das Land zu geben, in dem er lebte und ihn und seine Nachkommen zu einem großen Volk zu machen. Isaak, sein einziger Sohn; Isaak, der Sohn der späten Jahre, war der einzige sichtbare Beweis für diese Zusage Gottes. Isaak, sein Sohn, war für Abraham die einzige Stütze, auf die er sich in seinem Glauben berufen konnte, wenn er Zweifel hatte.

Und nun wollte Gott ihm auch noch diese Stütze seines Glaubens nehmen? Das durfte doch nicht wahr sein! Aber so war es! Gott wollte das Vertrauen von Abraham prüfen.

Er wollte sehen, ob der Glaube von Abraham echt war.

Petrus gibt einmal folgende Erklärung für den Sinn von Glaubensprüfungen ab. Die frühen Christen waren hart bedrängt durch ihre andersgläubigen Mitmenschen und litten sehr unter der Verfolgung. Er sagt: „Sie sind dazu da, dass euer Glaube sich als echt und viel kostbarer erweist wie das vergängliche Gold, das ja auch durchs Feuer geläutert wird“ (1. Petr 1,17).

Es ist leicht, Gott zu vertrauen, wenn es keinerlei Schwierigkeiten im Leben gibt und alles glatt geht. Es ist einfach, Gott zu vertrauen, wenn es viele sichtbare Zeichen für seine Segnungen gibt.

Es ist nicht schwer, Gott zu vertrauen, wenn der Glaube sich nicht bewähren muss.

Gottes Prüfung zielte auf Abrahams Stütze des Glaubens. Gott wollte sehen, dass Abrahams Liebe zu Gott und sein Vertrauen zu ihm echt und nachhaltig war.

Das erste, was wir bei Abraham lernen können, ist, dass er „Ja“ sagte zu Gottes Weg. Dreimal heißt es in unserer Geschichte: „Hier bin ich!“ Abraham stand seinem Herrn zur Verfügung. Ich denke aber, dass Abraham dieses Ja zu dem Weg Gottes auf keinen Fall ohne einen inneren Kampf aussprechen konnte. Eindrücklich wird beschrieben, wie Abraham drei Tage lang zu dem Ort hinreiste, an dem er seinen Sohn opfern sollte. Schweigend, ohne ein Wort, ging die ganze Reise vor sich.

Ich stelle mir vor, wie in dieser Zeit in der Abraham mit sich selbst zu kämpfen hatte. Seine ganze Vergangenheit ließ er noch Mal an seinem inneren Auge vorüberziehen. Da war die Verheißung, einen Sohn zu bekommen. Dann kam die lange Zeit des Wartens. Fünfundzwanzig Jahre lang warteten Sara und er auf den versprochenen Sohn. Dann der eigenartige Besuch der drei Männer in Mamre. Sie kamen genau ein Jahr vor der Geburt Isaaks und kündigten die Geburt des Sohnes noch einmal an. Sara lachte damals über diese Ankündigung. Doch dann wurde er tatsächlich geboren. Issak nannten sie ihn: „Lachen“. Dieser Name sollte sie immer an das ungläubige Lachen damals erinnern, aber auch an die Freude, an die übergroße Freude bei der Geburt des Kindes.

Abraham konnte sagen: „Hier bin ich!“ Er konnte sagen: „Ja Herr, dein Wille geschehe!“ Das war ein harter Kampf, dieses Ja zu den Wegen Gottes zu finden, wenn er einem das Liebste nehmen will.

Ich denke an das Ringen Jesu mit Gott im Garten Gethsemane, dass er den Kelch des Leidens an ihm vorübergehen lasse. Doch schließlich nimmt Jesus sein Schicksal an und sagt: Dein Wille geschehe!

So können wir auch von Abraham lernen, dass er Gottes Weg annehmen konnte.

Das zweite, was wir von Abraham lernen können, ist, dass er sofort handelte. Als Gott zu ihm sprach, hat er nicht lange gezögert. Gleich am nächsten Morgen bricht er in aller Frühe auf, um das zu tun, was sein Herr von ihm verlangte.

Unser Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes scheitert meistens nicht an unserer Bereitschaft, sondern an unserem Zögern und an den fehlenden Konsequenzen. „Ich sollte dringend in die Seelsorge und mit jemandem über diese Sache sprechen. Aber nicht heute, ein anderes Mal! Ich sollte jetzt eigentlich auf meinen Mitmenschen zugehen und mich für das, was ich gesagt habe, entschuldigen. Aber mir ist das jetzt unangenehm. Ich warte noch auf eine passende Gelegenheit, die etwas geschickter ist. Ich sollte jetzt mein geistliches Leben vertiefen und wieder treuer in der Bibel lesen und mir Zeit für das Gebet nehmen. Eigentlich vermisse ich das sehr. Aber in dieser Woche ist so viel. Da wird mir die Zeit dazu nicht reichen.“ Dieses Zögern ist falsch.

Doch wir wissen. wenn dir jetzt etwas klar geworden ist, dann handle sofort, gleich nach dem Gottesdienst oder gleich morgen. Zögere nicht damit! Abraham konnte „Ja“ sagen zu Gottes Weg und er hat sofort gehandelt im Gehorsam gegenüber seinem Herrn. Das können wir von ihm lernen.

Das Dritte, das wir von ihm lernen können, ist, dass er in vollständiger Abhängigkeit gegenüber seinem Herrn gelebt hat. Wir erfahren eindrücklich, wie Abraham den letzten Abschnitt der Prüfung, die Gott ihm auferlegte, bewältigte. Und dabei gewinnen wir den Eindruck, dass jetzt alles ganz langsam, geradezu in Zeitlupe geschieht. Ich sehe die Szene vor mir, wie ich sie schon so oft in einem Gemälde eines Gewölbezwickels in der Speyrer Dreifaltigkeitskirche gesehen habe.

Abraham baut einen Altar, er schichtet Holz auf, er bindet seinen Sohn, legt ihn auf den Altar, er nimmt das Messer, erhebt es und ist bereit, es zu senken.

„Abraham dachte, Gott kann auch von den Toten erwecken“ (Hebr 11,19), so kommentiert der Schreiber des Hebräerbriefes diese Stelle. Abraham bleibt in der totalen Abhängigkeit, in der Gebetsverbindung zu Gott und im fortwährenden Gespräch mit ihm. Nur so ist es möglich, dass Gott ihn noch im letzten Moment von er äußersten Konsequenz der Opferung seines Sohnes zurückhalten kann.

Wir können von Abraham lernen: Er konnte „Ja“ sagen zu Gottes Weg, er hat sofort gehandelt im Gehorsam gegenüber seinem Herrn und er blieb in der ständigen Verbindung zu Gott.

Was erfahren wir in dieser Geschichte denn über Gott selbst, der Abraham so sehr prüft? Drei feine Hinweise finden sich dazu in unserer Erzählung. Der erste Hinweis: Abraham nahm das Holz, das er für sein besonderes Opfer brauchte und legte es seinem Sohn auf die Schultern. Es war gerade so viel, wie sein Sohn tragen konnte. „Gott ist treu, der euch nicht über eure Kraft hinaus prüft. Er sorgt vielmehr dafür, dass die Prüfung darauf hinausläuft, dass wir sie bestehen können“, heißt es in 1. Kor 10,13. Das ist doch ein großer Trost! Gott bürdet uns nicht mehr auf, als wir tragen können.

Ein zweiter Hinweis: Abraham und Isaak gehen den Weg auf den Berg gemeinsam. Isaak trägt das Holz, Abraham trägt das Feuer und das Messer. Das heißt: Wenn Gott uns prüft, dann geht er den Weg der Prüfung mit uns zusammen. Er wird selbst mitgeprüft, er leidet mit. Er erklärt sich mit unserer Prüfungsnot solidarisch. Der Schreiber des Hebräerbriefes sagt deshalb von Jesus: „Er wurde selbst geprüft wie wir, er kann deshalb mit uns mitleiden“ (Hebr 2,18)

Der dritte Hinweis: Es handelt sich bei Abraham um eine Prüfung, nicht um eine Strafe Gottes. Es kommt ja letzten Endes nicht zum Opfer von Isaak. Gott schickt einen Widder und gibt Abraham die Gelegenheit, ihm ein anderes Opfer darzubringen. Und da wird diese dunkle Geschichte von der Opferung Isaaks auf einmal transparent für das, was Jesus für uns getan hat.

Fast 2000 Jahre nach dieser Geschichte geht wieder ein Vater mit seinem Sohn den Weg nach Morija. Morija ist hier der Berg Golgatha bei Jerusalem. Er geht mit seinem Sohn diesen Weg. Er legt ihm nicht ein Bündel Reisig auf die Schultern, sondern ein schweres Holzkreuz, unter dessen Last er zusammenbricht. Er bindet ihn dann nicht fest, als sie auf dem Berg Golgatha angekommen sind, sondern lässt es zu, dass sie seinen Sohn mit Nägeln an das Kreuz schlagen, das er zuvor getragen hatte. Es gibt dieses Mal keinen Ersatzopfer für Gottes einzigen Sohn. Auf Golgatha muss Jesus tatsächlich sterben. Der Vater opfert seinen Sohn. Gott opfert seinen Sohn Jesus Christus.

„Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten“ (Jes 53,5). Das gilt von Jesus! Bei aller Anfechtung darfst du deshalb wissen: Es ist keine Strafe. Jesus hat die Strafe für deine Sünden schon getragen.

Gott straft dich nicht in seinem Zorn. Du brauchst für ihn kein Opfer zu bringen, damit sein Zorn besänftigt wird. Er prüft dich, damit die Echtheit deiner Liebe und deines Vertrauens sichtbar wird. Drei feine Hinweise über den, der uns in manche Prüfungen hineinschickt und uns diese Prüfungen zumutet. Er macht die Prüfung nur so schwer, dass wir sie auch bestehen können. Er ist bei den Prüfungen mit dabei. Er hat Mitleid mit uns. Er will uns nicht bestrafen, sondern prüfen. Er will uns nicht vernichten, sondern aufrichten.

Und wie endet die Geschichte? Sie endet mit einem neuen Namen für Gott. Abraham nennt Gott: „Der Herr sieht!“ Er freut sich darüber, dass Gott seine echte Liebe und die Echtheit seines Glaubens gesehen hat. Wie endet die Geschichte? Sie endet damit, dass Gott einen neuen Segen bereit hat für Abraham: „Durch dein Geschlecht sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden, weil du meiner Stimme gehorcht hast.“ Amen.

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