Predigt am Sonntag Quasimodogeniti (16.04.23) über 1. Mose 32 von Vikar Dr. Ulrich Hofeditz

Predigttext aus 1. Mose 32:

23 Und Jakob stand auf in der Nacht und nahm seine beiden Frauen und die beiden Mägde und seine elf Söhne und zog durch die Furt des Jabbok. 24 Er nahm sie und führte sie durch den Fluss, sodass hinüberkam, was er hatte. 25 Jakob aber blieb allein zurück. Da rang einer mit ihm, bis die Morgenröte anbrach. 26 Und als er sah, dass er ihn nicht übermochte, rührte er an das Gelenk seiner Hüfte, und das Gelenk der Hüfte Jakobs wurde über dem Ringen mit ihm verrenkt. 27 Und er sprach: Lass mich gehen, denn die Morgenröte bricht an. Aber Jakob antwortete: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn. 28 Er sprach: Wie heißt du? Er antwortete: Jakob. 29 Er sprach: Du sollst nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel; denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast gewonnen. 30 Und Jakob fragte ihn und sprach: Sage doch, wie heißt du? Er aber sprach: Warum fragst du, wie ich heiße? Und er segnete ihn daselbst. 31 Und Jakob nannte die Stätte Pnuël: Denn ich habe Gott von Angesicht gesehen, und doch wurde mein Leben gerettet. 32 Und als er an Pnuël vorüberkam, ging ihm die Sonne auf; und er hinkte an seiner Hüfte. 33 Daher essen die Israeliten nicht das Muskelstück auf dem Gelenk der Hüfte bis auf den heutigen Tag, weil er den Muskel am Gelenk der Hüfte Jakobs angerührt hatte.

Da steht er nun. Ein kleiner Mann, schmächtig, allein. Die Sonne im Rücken. Was für eine Nacht. Er ist älter geworden, seit er das letzte Mal hier war. Jakob. Ein Mann auf der Flucht. Konflikte vor und hinter ihm. Er ist reich geworden, sehr reich. Knechte, Mägde, Tiere, zwei Frauen und elf Söhne. Reich und doch einsam.
Jakob, der Fersenhalter. So haben ihn seine Eltern bei der Geburt genannt. Er, der Zweitgeborene. Er, der immer als Erstes kommen wollte. Ja, um den Segen des Erstgeborenen hat er seinen blinden Vater und seinen älteren Bruder Esau betrogen. Esau war außer sich, als er davon erfuhr. Zu seinen Onkel Laban musste Jakob fliehen.
Laban nahm ihn auf. Laban hatte zwei Töchter. Die schöne Rahel, die hatte es Jakob angetan. Er wollte sie heiraten, wollte sieben Jahre dafür beim Onkel dienen. Aber diesmal betrog der Onkel ihn. Er gab ihm die ältere Lea. Jakob merkte es erst nach der ersten Nacht, als es wieder hell wurde. Oh, was war Jakob wütend. Vorwürfe machte er seinem Onkel. Laban machte ihm einen Vorschlag: Für sieben weitere Jahre sollte er auch Rahel heiraten dürfen. Jakob ging darauf ein.
Nun steht Jakob hier vor seinem größten Konflikt. Nach insgesamt 20 Jahren – 6 hatte er dann noch zusätzlich gebraucht, um seinen Reichtum aufzubauen. Vor ihm das Land seines Bruders. Den Reichtum des Vaters hatte auch Esau genutzt. Eine kleine Armee hat er sich zugelegt. Und Esau zog ihm jetzt entgegen, mit ihm 400 Mann.
Jakob hat Angst. Der Betrüger wartet auf seinen Bruder, den er damals um das Erstgeburtsrecht und den Segen Gottes betrogen hat. Er schickt seinem Bruder Boten, Geschenke, teilt seine Herden so auf, dass sie fliehen können. Und im schlimmsten Falle soll es wenigstens Rahel mit dem kleinen Josef schaffen.

Sie liegt im Krankenhaus. Gestürzt ist sie. Die Ärzte sagen, die Hüfte ist hin. Aber mit 85 Jahren, da könne das schließlich passieren. Sie hat Angst. Sie ist allein. Die Familie ist noch auf dem Weg, aber lange noch nicht da. Was kommt nun auf sie zu? An wen kann sie sich wenden?

Jakob hat Angst, nur seinem Gott vertraut er. Hatte dieser ihm nicht bei seiner ersten Flucht gesagt, dass er bei ihm bleiben würde? Hat er ihm nicht seine Engel gezeigt, die auf einer Leiter zu ihm herabsteigen? Hatte sein Gott ihm nicht gesagt, dass er wieder in die Heimat ziehen solle? Und jetzt diese Nacht, war es nicht Gott gewesen, mit dem er gerungen hat?
Gerungen haben sie die ganze Nacht. Als Erstes dachte Jakob, es sei ein Späher Esaus oder ein Bandit, der sich ihm da in den Weg stellte. Am Anfang dachte er noch: Es ist gut gewesen, dass ich meine Frauen und Söhne über den Fluss gebrachte habe, so erwischt es nur mich. Dann merkte er immer mehr: Dieser Gegner ist ein anderer. Hier ringt Gott mit ihm. Und Jakob, der sich seinen Vorteil nie durch einen Kampf sichern konnte, hat Ausdauer und Kraft stehen zu bleiben und nicht zu verlieren. Nicht zu gewinnen, aber auch nicht zu verlieren. Als endlich die Sonne aufging, wollte der Fremde fliehen. Jakob ließ ihn nicht. Er war sich ganz sicher: Ich ringe mit meinem Gott. Segne mich, so verlangte er es. Und der Fremde segnete ihn. Gab ihm einen neuen Namen, Israel. Jetzt humpelt er, Jakob, zurück. Es war eine lange Nacht, der Tag würde genauso lang werden.

Die Operation ist gut überstanden. Aber was heißt das schon? Pflege zuhause oder Heim hat der Arzt gesagt. Laufen geht noch lange nicht, wenn überhaupt jemals wieder. Jede Nacht ringt sie mit Gott. Hätte es nicht anders sein können? Gesund bis zum letzten Tag? Oder allmählich schwächer werden? Aber so? Nein, so hatte sie es sich nicht vorgestellt.

Gott trat in das Leben von Jakob, immer dann, wenn Jakob es brauchte. Als er auf der Flucht war, als sein Schwiegervater ihn verfolgte und als er seinem Bruder gegenübersteht. Und Gott segnet Jakob, den Betrüger, mit Reichtum, so dass er seine Familie führen kann.
Gott sucht Jakob, da er den Segen seines Vaters trägt. Gottes ausgestreckt Hand, die Jakob nur ergreifen muss, begleitet Jakob sein ganzes Leben lang. Spuren des Allmächtigen Gottes finden sich so beständig im Leben Jakobs.
Und Jakob bleibt seinem Gott in Treue verbunden. Hätte ihm jemand seine Erlebnisse des Nachts geglaubt, die Himmelsleiter und seinen Ringkampf, wenn er nicht davon überzeugt gewesen wäre, dass ihm hier Gott begegnet sei?

Heute kommt sie nach Hause. Es ist nicht alles gut. Vielleicht wird es. Sie weiß es nicht. Eines Nachts sprach sie im Gebet: „Ich lasse dich nicht…“, mehr ging nicht. Seitdem ist es anders, nicht besser aber anders. Sie würde sagen friedvoller.

Gott streckt seine Hand aus – für Jakob. Seine Hand, die ihm Hilfe und Segen sein soll. Und Jakob ergreift sie. Sie ist der Anker in seinem Leben, das von Unstetigkeit und Misstrauen, von Betrug und Angst geprägt ist. Nicht Jakobs Moral entscheidet über Gottes Zuwendung, sondern Gott entscheidet, dass er Jakob nicht alleine lässt. Nicht, was Jakob tut ist entscheidend, sondern die Segenszusage Gottes, die Verheißung über die Stammväter, mit der sich Gott festgelegt hat.
Die Spuren Gottes in Jakobs Leben sind sichtbar, weil Gott sich in seiner Verheißung festgelegt hat und Jakob Gottes Segen annimmt, sich immer wieder auf Gottes Segen und seine Ansprache einlässt.

Gott hat uns in Jesus Christus versprochen, dass er immer bei uns sein wird. Jeden Tag, jede Stunde. Wie dem Jakob ist Gott auch uns zugewandt. Seine ausgestreckte Hand gilt auch uns. Wir dürfen sie ergreifen. Die Herausforderungen des Lebens werden dadurch nicht weniger und dennoch werden dadurch die Spuren Gottes in unserem Leben sichtbar.

Amen.

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