Predigt am Sonntag Septuagesimae über Matthäus 9,9-13 von Volker Strauch

Der Predigttext für heute steht im Evangelium nach Matthäus, im neunten Kapitel:

Und als Jesus von dort wegging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen, der hieß Matthäus; und er sprach zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm.

Und es begab sich, als er zu Tisch saß im Hause, siehe, da kamen viele Zöllner und Sünder und saßen zu Tisch mit Jesus und seinen Jüngern.

Als das die Pharisäer sahen, sprachen sie zu seinen Jüngern: Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern?

Als das Jesus hörte, sprach er: Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken.

Geht aber hin und lernt, was das heißt (Hosea 6,6): »Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer.« Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten. (Mt 9,9-13)

Herr, regiere du unser Hören und unser Reden durch deinen Heiligen Geist. Amen.

 

Auf der linken Spur fährt ein Auto vorbei und schert vor mir ein. Es ist ein Polizeiwagen. Er bremst etwas ab und dann leuchtet oben das Schild auf: „Bitte folgen!“

Im Fragenkatalog für die theoretische Fahrprüfung wird genau dieser Fall geschildert. Dazu die Frage: Was ist zu tun?  Zur Auswahl stehen dabei verschiedene Antworten:

  1. „Nur Schwertransporte müssen dem Polizeifahrzeug folgen“,
  2. „Alle Fahrzeuge, die in gleicher Richtung fahren, müssen dem Polizeifahrzeug folgen“,
  3. „Nur Sie müssen dem Polizeifahrzeug folgen.“

Richtig ist nur Antwort 3. Zur Erklärung wird hinzugefügt: „Diese Anweisung beschränkt sich lediglich auf den direkt hinter dem Polizeifahrzeug befindlichen Fahrzeugführer.“

Diese höflich klingende Aufforderung ist freilich mehr als ein frommer Wunsch der Polizei. Sie hat verpflichtenden Charakter für die betroffene Person und ist bei Nichtbefolgung mit einem Bußgeld verbunden.

„Folge mir nach!“, sagt Jesus zu Matthäus, dem Zöllner. Er sagt das nicht zu allen Leuten, die sich gerade dort befinden. Er sagt es auch nicht zu den Kollegen oder der Familie des Matthäus. Nein, er spricht nur Matthäus direkt an: „Folge mir nach!“ Kein anderer als er ist gemeint.

Und Matthäus? Der befolgt die Anweisung. Er lädt Jesus zu sich nach Hause ein, bewirtet ihn und tritt seinen Dienst in der Nachfolge an. Jesus muss nicht mit einem Bußgeld oder anderer Strafe drohen. Sein Wort hat Autorität. Was er sagt, das geschieht. Das ist für Matthäus ganz klar.

Gut 100 Jahre später finden sich Schriftzeugnisse, die als Verfasser des ersten Evangeliums Matthäus angeben. Matthäus, der Zöllner, der sich in die Nachfolge riefen ließ, wird zum Jünger Jesu und zum Verfasser des Evangeliums. Auch wenn die tatsächliche Autorenschaft sehr umstritten ist, so zeigt es doch, welche Bedeutung Matthäus für die Kirche hat und welche große Wirkung diese gerade einmal drei Worte von Jesus hatten.

„Folge mir nach!“ Mit diesen Worten ruft Jesus noch sehr viel mehr Menschen in seine Nachfolge. Zu den ersten gehörten ein paar Fischer am See Genezareth, die seine Jünger wurden. Mit ihnen war er nun schon einige Zeit unterwegs. Jesus predigt den Menschen, dass Gottes Herrschaft, sein Reich, bald kommen wird und dass sie sich darauf einstellen sollen.

Er tut das in Vollmacht, mit Kraft, mit Geist, mit göttlicher Autorität. Was er sagt, das gilt. Damit das auch wirklich alle verstehen, heilt Jesus Kranke und treibt böse Geister aus. Damit zeigt er: Ich habe wirklich die Kraft, das zu tun. Ich handle in Gottes Auftrag und in seinem Geist.

„Folge mir nach!“ Das hört auch einer, der sein Geld am Zoll verdient und als bestechlich und unberechenbar gilt.

„Folge mir nach!“ Das sagt Jesus auch einer, die ihr Geld mit Prostitution verdient.

„Folge mir nach!“ Das gilt auch für den, der an Aussatz erkrankt ist und von Jesus geheilt wurde.

„Folge mir nach!“ Das wird auch dem zugesprochen, der schon seit er denken kann gelähmt auf der Straße sitzt und auf Almosen angewiesen ist.

Jesus ruft diese Menschen zu sich. Er setzt sich mit ihnen an einen Tisch. Essen und Trinken ist so wichtig wie die Luft zum Atmen. Da sitzen sie zusammen und lachen und lassen es sich gut gehen und merken: Wir gehören zusammen, weil Jesus uns gerufen hat!

Aber Jesus macht nur mehr als nur das. Immer wieder sagt er in diesem Zusammenhang: „Deine Sünden sind dir vergeben!“

Wie passt das ins Bild?

Sünde ist das, was uns von Gott trennt. Sünde zerstört Beziehungen. Sünde macht einsam. Sünde macht krank. Sündig werden wir immer wieder, weil wir nie 100%ig Gottes Willen tun können.

Jesus sagt: „Deine Sünden sind dir vergeben!“

Er sagt es zum Zöllner, zur Prostituierten, zum Aussätzigen, zum gelähmten Bettler. Und er sagt es zu DIR! Denn Jesus spricht uns alle an. Wir sind gemeint!

Darüber ärgern sich die Pharisäer. Sie haben ihr Leben Gott gewidmet. Sie studieren mehrere Stunden täglich die Thora und andere wichtige Schriften. Sie beten und diskutieren. Sie nehmen ihren Glauben wirklich ernst. Sie wollen zu Gott gehören und alles dafür tun, möglichst keine Sünden zu begehen. Und jetzt kommt dieser Jesus daher und meint, alle Sünden vergeben zu können?!? Das kann doch nicht sein.

Deshalb empören sie sich. Da sitzt Jesus mit den anderen und isst und trinkt und sie lassen es sich so richtig gut gehen. Das darf doch nicht sein! Sie sprechen die Jünger darauf an. Aber Jesus kriegt es mit. Er hat ein feines Gespür für Menschen. Niemand ist ihm egal. Egal, wer er ist, was er kann oder was er nicht kann. Er hört, was die Pharisäer und Schriftgelehrten ihm vorwerfen. Gekonnt geht er auf sie ein. Er zitiert einen Vers aus der Bibel. Denn auch Jesus hat die Bibel studiert, viel diskutiert, gelesen, nachgedacht. Aus dem Buch Hosea stammt der Satz: »Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer.« (Hosea 6,6)

Dieser Satz stammt von Gott. Gott will keine Opfer. Opfer bringen nichts, wenn nicht auch das Herz beteiligt ist. Wer kann sich freuen an einem toten Schaf oder Huhn, das verbrannt wird, nur um Gott gnädig zu stimmen? Gott freut sich aber an Barmherzigkeit.

Wer barmherzig ist, handelt aus seinem tiefsten Herzen heraus. Der denkt nicht zuerst an sich selbst, sondern an andere, die seine Hilfe brauchen. Mit diesem einen Vers macht Jesus deutlich: Ihr Pharisäer und Schriftgelehrte seid ausgezeichnete Theologen. Ihr denkt viel über Gott nach und nehmt das sehr ernst. Ihr findet Halt in eurer Gemeinschaft. Das ist gut, aber es ist nicht genug. Denn ihr seht nur euch und alles, was ihr richtigmacht! Seid barmherzig! Öffnet euer Herz!

Und dann fügt Jesus noch einen entscheidenden Satz hinzu: Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten.

Mit den Sündern sitzt Jesus am Tisch. Beim gemeinsamen Essen und Trinken passiert Enormes: Da entsteht Gemeinde in der Nachfolge Jesu. Denn dieses Erlebnis bleibt nicht folgenlos. Was dort am Tisch anfängt, zieht weite Kreise. Das, was Jesus für diese Menschen bedeutet, wurde weitererzählt, damit auch andere erleben durften, was es heißt, nicht länger von Gott entfernt leben zu müssen.

„Bitte folgen!“ Wenn ein Polizeiauto mit dieser Meldung vor mir einschert, fängt mein Herz an zu klopfen. „Was habe ich falsch gemacht?“, geht mir durch den Kopf. Was heißt das jetzt für mich? Ich fühle mich beklommen, ängstlich, nervös. Kein schönes Erlebnis.

„Folge mir nach!“ Wenn Jesus mich dazu auffordert, brauche ich keine Angst zu haben. Ganz im Gegenteil. Durch seine Macht kann ich befreit leben. Denn ich weiß: Auch, wenn vieles in meinem Leben schiefläuft, ich Fehler mache, ich sündig werde – Gott hält zu mir. Er vergibt. Darum lasst euch rufen von Jesus: „Folge mir nach!“.

Amen.

Schreibe einen Kommentar