Predigt zum 1. Sonntag nach dem Christfest über Lukas 2,25-38 von Kerstin Strauch

Der Predigttext für diesen Sonntag steht im zweiten Kapitel des Lukasevangeliums. Jesus ist geboren, doch mittlerweile ist es stiller geworden. Wir hören von einem hochbetagten Ehepaar, das Kenntnis von der Geburt Jesu bekommt:

25 Und da war in Jerusalem einer mit Namen Simeon, und dieser Mann war gerecht und gottesfürchtig; er wartete auf den Trost Israels, und heiliger Geist ruhte auf ihm. 26 Ihm war vom heiligen Geist geweissagt worden, er werde den Tod nicht schauen, bevor er den Gesalbten des Herrn gesehen habe. 27 Nun kam er, vom Geist geführt, in den Tempel. Und als die Eltern das Kind Jesus hereinbrachten, um an ihm zu tun, was das Gesetz des Herrn vorschreibt, 28 da nahm er es auf die Arme und pries Gott und sprach:

29 Nun lässt du deinen Diener gehen, Herr,

in Frieden, wie du gesagt hast,

30 denn meine Augen haben das Heil gesehen,

31 das du vor den Augen aller Völker bereitet hast,

32 ein Licht zur Erleuchtung der Heiden

und zur Verherrlichung deines Volkes Israel.

33 Und sein Vater und seine Mutter staunten über das, was über ihn gesagt wurde. 34 Und Simeon segnete sie und sagte zu Maria, seiner Mutter: Dieser hier ist dazu bestimmt, viele in Israel zu Fall zu bringen und viele aufzurichten, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird – 35 ja, auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen -, damit aus vielen Herzen die Gedanken offenbar werden. 36 Und da war eine Prophetin, Hanna, eine Tochter Phanuels, aus dem Stamm Asser, die war schon hochbetagt. Nach ihrer Zeit als Jungfrau war sie sieben Jahre verheiratet 37 und danach Witwe gewesen bis zum Alter von vierundachtzig Jahren. Sie verliess den Tempel nie, weil sie Tag und Nacht Gott diente mit Fasten und Beten. 38 Zur selben Stunde trat auch sie auf und pries Gott und sprach von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.

 

Liebe Gemeinde,

wer möchte nicht alt werden? Möglichst gesund und aktiv bis ins hohe Alter zu sein, ist das Ziel vieler Menschen. Dabei höre ich öfter bei Seniorenbesuchen davon, dass das Alter viele Beschwernisse mit sich bringt.

Dabei werden die Menschen in Deutschland so alt wie nie zuvor. Andererseits sorgen wir uns gerade jetzt um die Älteren, die besonders von der Pandemie bedroht sind. Sie leiden, weil sie der ersehnte Besuch nicht oder nur auf Abstand kommen kann, weil sie isoliert leben oder krank sind. Und auf der anderen Seite erlebe ich, dass wenn wir Menschen zum 80. Geburtstag gratulieren, hören: „Was? So alt bin ich schon, dass jetzt schon die Pfarrerin kommt?“

Es ist eine Errungenschaft des Fortschritts, das Altwerden heute nicht mehr nur Last ist. Dabei ist es nach wie vor durchaus mit vielen Ängsten verbunden: Wird die Rente für meinen Lebensunterhalt reichen? Werde ich selbstständig leben oder auf Hilfe angewiesen sein? Muss ich damit rechnen, im Heim zu leben oder gibt es andere Möglichkeiten? Werde ich medizinisch gut versorgt?

Diese Ängste gibt es – und oft sind sie berechtigt. Dazu kommt noch die Sorge vieler älterer Menschen, anderen zur Last zu fallen. Das macht diese Lebensphase nicht gerade leichter.

 

Vorher gibt es immer noch Ziele und Möglichkeiten zur Veränderungen: Wenn ich merke, dass mein Beruf nicht zu mir passt, mache ich was anderes. Wenn die erste Ehe schief geht, wird es beim zweiten Mal hoffentlich klappen. Wenn ich erstmal in Rente bin, dann werde ich ganz viel Reisen, mehr Zeit mit meinen Enkelkindern verbringen, als ich es mit meinen Kindern konnte… Voller Schwung sang Udo Jürgens: „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an…“ Ein ganz anderes Lied hatte Simeon auf den Lippen. Er war hochbetagt, wie alt genau, wissen wir nicht. Aber auch er sang. Martin Luther hat seine Worte ausgedeutet und vertont. „Mit Fried und Freud fahr ich dahin“ heißt eines seiner ersten Kirchenliedern. Wir werden es gleich für Sie singen. Vorher hören Sie das dazu passende Orgelstück von Johann Sebastian Bach.

 

[Musik]

 

Simeon und Hanna – zwei alte Menschen im Jerusalem um die Zeitenwende. Wie war alt sein da­mals? Ohne all die medizinischen Möglichkeiten, die wir heute haben? Ohne Rentenversicherung  Was taten alte Menschen? Was erwarteten sie? Was beschäftigte sie?

Von Simeon erfahren wir, dass er wartete.

Warten – das ist eine Beschäftigung für viele alte Menschen. Warten darauf, dass der Tag anbricht. Warten darauf, dass Besuch kommt. Warten beim Arzt. Warten auf das Essen. Warten auf das Ende.

Hanna – so erfahren wir – diente Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht.

Und auch das kennen wir: Es sind in der Mehrheit ältere Frauen, die in die Kirchen kommen. Sie kommen, wenn ihre Kinder aus dem Haus oder ihre Partner verstorben sind. Sie kommen und dienen, übernehmen Ehrenämter oder helfen mit, sie beten für andere, singen in der Kantorei, übernehmen Besuche, tragen Gemeindebriefe aus, sie sind da, sie tragen die Gemeinde mit.

Simeon und Hanna sind zwei alte Menschen, die sich zunächst einmal gar nicht so sehr von alten Menschen heute unterscheiden.

In einem tun sie es aber doch: In der Beziehung zu Gottes Geist.

Diese besondere Beziehung zu Gottes Geist ermöglicht es den beiden alten Leuten, in dem kleinen Jungen – gerade 40 Tage alt – etwas ganz Besonderes zu erkennen. Maria und Joseph sind zum Tempel gekommen, um Gott dort ein Opfer zu bringen, so wie es die Tora vorschreibt. Hier treffen sie auf Simeon und Hanna. Die beiden spüren sofort, dass Gottes Geist ihnen die Augen öffnet: Jesus ist nicht nur ein besonderes Kind, sondern er ist der Trost Israels und die Erlösung für Jerusalem. Darauf haben sie ihr Leben lang gewartet.

Und damit ist es gut.

Jetzt kann der alte Simeon in Frieden gehen – jetzt kann die hochbetagte Hanna in Frieden gehen. Die Ängste, die Sorgen, die Unruhe, die das Alter – die das Leben so schwer machen können, sie sind nun nicht mehr erheblich. Denn jetzt ist Frieden.

Was für ein schönes Bild ist das! Am Ende des Lebens in Frieden gehen zu dürfen, das ist ein Geschenk, eine Gnade. Simeon und Hanna waren vom Geist Gottes erfüllt. Wenn wir in der Bibel weiterlesen, dann erzählt der Evangelist Lukas später davon, dass dieser Geist über „alles Fleisch“ ausgegossen wird. Das ist zu Pfingsten geschehen. Gott schenkt seinen Geist uns allen – damit wir in Frieden leben und – wenn die Zeit gekommen ist – in Frieden gehen können. Ermöglicht wurde das durch die Geburt seines Sohnes: ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zur Verherrlichung deines Volkes Israel.

Wie alt wir werden und wie es uns im Alter geht, haben wir nicht in der Hand. Wir sind in Gottes Hand – in jeder Phase unseres Lebens. Doch auch bei allem, was uns ängstigt und beschwert, ist Gottes Geist in uns mächtig. Jesus ist auch für dich geboren. Er ist da. Das Weihnachtsfest ist vorbei. Der Friede bleibt.

Dieser ist höher als alle Vernunft und bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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