Predigt zum 1. Sonntag nach Epiphanias über Johannes 1,29-34 von Kerstin Strauch

Liebe Gemeinde,

am Jahresanfang tut es gut, etwas Ordnung in die Dinge zu bringen. Da werden gute Vorsätze gefasst, neue Ziele gesetzt oder alte überarbeitet, da wird aufgeräumt und Platz gemacht. Neues Jahr – neue Chance – neues Glück? „Es muss anders werden!“, rief ein Wüstenprediger den Menschen immer wieder zu. „Ihr müsst euch ändern! Kehrt um, tut Buße! Schaut auf das, was schiefläuft, wendet euch Gott zu, erneuert eure Lebenseinstellung!“ Johannes der Täufer lebte als Eremit in der kargen Wüstenlandschaft am Jordan. Steinig und heiß ist es dort. Einsam und trocken. Johannes fand seine Berufung als Wegbereiter Jesu und Prediger in der Wüste. Seine Mutter Elisabeth und die Mutter Jesu waren Cousinen. Es gab also immer schon eine Verbindung zwischen den beiden Männern. Im Johannesevangelium geht die Verbindung aber über normale familiäre Bande weit hinaus. Da ist mehr. Da ist etwas, was sich kaum in Worte fassen lässt. Doch hört selber, wie der Evangelist Johannes es beschreibt. Ich lese aus dem 1. Kapitel des Johannesevangeliums die Verse 29-34:

 

Am nächsten Tag sieht Johannes, dass Jesus zu ihm kommt, und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! Dieser ist’s, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war eher als ich. Und ich kannte ihn nicht. Aber damit er offenbar werde für Israel, darum bin ich gekommen zu taufen mit Wasser.

Und Johannes bezeugte es und sprach: Ich sah, dass der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf ihm. Und ich kannte ihn nicht. Aber der mich gesandt hat zu taufen mit Wasser, der sprach zu mir: Auf welchen du siehst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, der ist’s, der mit dem Heiligen Geist tauft.

Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist Gottes Sohn.

 

Herr, regiere du unser Hören und unser Reden durch deinen Heiligen Geist. Amen.

 

Jesus hatte sich als erwachsener Mann wahrscheinlich der Täuferbewegung des Johannes angeschlossen. Johannes führte das Taufritual am Jordan aus: Die Taufe war eine rituelle Reinigung ganz im Sinne des jüdischen Kultus. Die Menschen stiegen als Zeichen der Umkehr in den Jordan, um sich von allem rein zu waschen, was sie belastete. So gestärkt wollten sie ihr Leben neu auf Gott hin ausrichten.

Dieses Ritual war nicht einmalig. Es konnte bei Bedarf wiederholt werden. Bis heute praktizieren Jüdinnen und Juden die rituelle Reinigung in der so genannten Mikwe, einem Bad, in das man ganz hineinsteigen kann. Es gibt genaue Vorschriften, zu welchen Anlässen man die Mikwe besuchen sollte. Und nicht nur Menschen werden dort kultisch rein gemacht, sondern auch Küchenutensilien. Die kultische Reinheit wird in der Thora und weiteren jüdischen Gesetzestexten genau beschrieben.

Johannes der Täufer war ein charismatischer Prediger, der viele Menschen anzog. Sie ließen sich von ihm taufen. Doch sein Auftrag ist größer. Er sagte: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war eher als ich. Und ich kannte ihn nicht. Aber damit er offenbar werde für Israel, darum bin ich gekommen zu taufen mit Wasser. (VV. 30b-31)

Johannes spürt, dass mit Jesus eine ganz neue Zeit angebrochen ist. Er ist der Sohn Gottes. Und weil er Gottes Sohn ist, deshalb war er auch schon immer und wird immer sein. Und weil das mit unserem Verstand, auch mit dem des Johannes, kaum zu fassen ist, ist es schwer zu erkennen, mit wem wir es zu tun haben. Mehrmals muss Johannes zugeben: Und ich kannte ihn nicht!

Ist doch komisch, denkt man, dass da einer die eigene Verwandtschaft nicht erkennt. Das aber ist nicht gemeint. Natürlich kennt Johannes seinen Großcousin. Aber er erkannte nicht, dass es sich bei ihm um den Sohn Gottes handelt. Diese Erkenntnis kommt erst nach und nach. Und die hat mit der Taufe zu tun.

 

Als Johannes nämlich mal wieder am Jordan ist und Jesus kommen sieht, da spürt er etwas, das mit Worten kaum zu beschreiben ist. Manche Erfahrungen sind einfach so überwältigend, dass uns die Worte fehlen. Wenn wir es mit Gott zu tun haben, ist das oft auch so. Unsere Worte können nicht annähernd beschreiben, wer und wie Gott ist. Und trotzdem bleibt uns nichts Anderes übrig, als es immer wieder zu versuchen, denn nur so können wir anderen davon erzählen und selber begreifen. Johannes versucht es mit Bildworten. Auch sein Namensvetter, der Evangelist Johannes, hat diese „Tradition“ weitergeführt. Die schönsten Bilder über Jesus stammen aus diesem Evangelium. Der Täufer sagt: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!“ (V. 29b)

Jesus Christus ist das Lamm Gottes. Dieses Bild begegnet uns immer wieder. Das Lamm ist ein junges, kleines Tier. Es gilt als unschuldig und rein. Klein erschien der Sohn Gottes in der Krippe von Bethlehem. Unschuldig ging er ans Kreuz. Er nahm das auf sich, was uns von Gott trennte. Durch Jesus, das Lamm, können wir Gott wieder nahe sein.

Und das Bild des Lammes erinnert uns an das Passahlamm, das geschlachtet wurde, bevor die Israeliten Ägypten verließen. Nur wer seine Türpfosten mit dem Blut dieses Lammes bestrich, wurde von dem Todesengel verschont. Das Lamm schenkte Bewahrung. So auch Jesus mit seinem Leben, seinem Sterben und schließlich seiner Auferstehung.

Jesus ist der Großcousin von Johannes. Aber Johannes erkennt in ihm noch viel mehr. Er sieht das Lamm Gottes.

Im engen Kontakt zu Gott, im Gebet, in der Stille hat sich der Wüstenprediger immer wieder an Gott gewendet. Das hat seine Sinne geschärft. Er berichtet davon, dass Gott zu ihm gesprochen habe. Dabei geht es um die Taufe. Und wieder ist es ein Bild, das Johannes benutzt: Ich sah, dass der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf ihm. Und ich kannte ihn nicht. Aber der mich gesandt hat zu taufen mit Wasser, der sprach zu mir: Auf welchen du siehst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, der ist’s, der mit dem Heiligen Geist tauft. (VV. 32-33)

Mit dem Erscheinen von Jesus verändert sich die Taufe.

Sie ist kein rituelles Reinigungsbad mehr, sondern ein sichtbares Zeichen für uns, dass sich Gott ein für alle mall mit uns verbindet. Wir sind Gottes geliebte Kinder, vom ersten Moment unseres Lebens an. Sein Geist will in uns lebendig sein. Seinen Segen spricht er uns zu. Und er schenkt uns die Taufe, nicht, weil er sie bräuchte, sondern weil die Taufe uns hilft, eine Verbindung zu Gott aufzubauen.

Vor aller Augen wird im Wasser der Taufe deutlich, dass Gott uns Leben schenkt. Ohne Wasser gäbe es kein Leben. Aber Wasser kann auch zerstörerisch sein, uns in Lebensgefahr bringen. So ist das Symbol des Wassers auch ein Zeichen für den Tod. Auch Jesus, das Lamm Gottes, starb. Doch gerade in diesem Tod wurde der Weg frei für das ewige Leben bei Gott. Auch das wird in der Taufe deutlich. Und schließlich nehmen wir durch die Taufe Menschen in die Gemeinde auf – so wie wir es heute auch getan haben.

Das alles macht Gott möglich, der durch seinen Geist wirkt. Nötig wäre die Taufe für Gott nicht – aber für uns. Denn durch die Taufe werden wir zu neuen Menschen, zu Gottes Kindern. Das werden wir nicht dadurch, dass wir so toll und stark sind. Wir werden es einzig und allein aus Gottes Liebe heraus. Diese Liebe macht uns zu einer großen christlichen Familie. In dieser Familie sind wir aufgefordert, aufeinander zu achten, füreinander da zu sein, einander zu respektieren und Gottes Geist in uns wirken zu lassen. Denn: Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. (Röm 8,14).

Amen.

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