Predigt zum 1. Weihnachtstag über 2 Mose 2,1-10 von Kerstin Strauch

Liebe Gemeinde,

nichts war besonders ungewöhnlich an dieser Geburt. Die Eltern hatten geheiratet und einige Zeit später war zunächst eine Tochter, dann ein Sohn geboren worden. Es sang kein Engelschor, es gab keine sonstigen Vorkommnisse. Dabei ist es Wunder genug, wenn ein Kind das Licht der Welt erblickt. Doch dieses Kind sollte in der Geschichte Israels eine zentrale Rolle spielen. Und auch, wenn die Geschichte zunächst gar nicht weihnachtlich klingt, würden wir ohne diese Geschichte nicht Weihnachten feiern. Hört selbst, was im zweiten Buch Mose, im zweiten Kapitel, über die Geburt dieses Kindes erzählt wird:

Und es ging hin ein Mann vom Hause Levi und nahm eine Tochter Levis zur Frau.

Und sie ward schwanger und gebar einen Sohn. Und als sie sah, dass es ein feines Kind war, verbarg sie ihn drei Monate. Als sie ihn aber nicht länger verbergen konnte, nahm sie ein Kästlein von Rohr für ihn und verklebte es mit Erdharz und Pech und legte das Kind hinein und setzte das Kästlein in das Schilf am Ufer des Nils. Aber seine Schwester stand von ferne, um zu erfahren, wie es ihm ergehen würde. Und die Tochter des Pharao ging hinab und wollte baden im Nil, und ihre Dienerinnen gingen am Ufer hin und her. Und als sie das Kästlein im Schilf sah, sandte sie ihre Magd hin und ließ es holen. Und als sie es auftat, sah sie das Kind, und siehe, das Knäblein weinte. Da jammerte es sie, und sie sprach: Es ist eins von den hebräischen Kindlein. Da sprach seine Schwester zu der Tochter des Pharao: Soll ich hingehen und eine der hebräischen Frauen rufen, die da stillt, dass sie dir das Kindlein stille? Die Tochter des Pharao sprach zu ihr: Geh hin. Das Mädchen ging hin und rief die Mutter des Kindes. Da sprach die Tochter des Pharao zu ihr: Nimm das Kindlein mit und stille es mir; ich will es dir lohnen. Die Frau nahm das Kind und stillte es. Und als das Kind groß war, brachte sie es der Tochter des Pharao, und es ward ihr Sohn, und sie nannte ihn Mose; denn sie sprach: Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen. (2 Mose 2,1-10)

Gott, segne du unser Hören und unser Reden durch deinen Heiligen Geist. Amen.

Als der kleine Mose geboren wurde, sah seine Mutter, dass es gut war. So ist das in der Regel, wenn Babys geboren werden. Sie sind gut, sie sind fein, sie sind in den Augen der Eltern einfach wunderschön!

Im Anfang – bei der Geburt der Welt – sagte Gott: Siehe, es war sehr gut. Jetzt werden die Worte von einer einfachen hebräischen Mutter gesprochen: Sie sah, dass es gut war. Als sei der Himmel erneut im Spiel! Vielleicht ahnte die Mutter schon, dass ihr Sohn einmal einen ganz besonderen Auftrag bekommen würde. Denn längst war nicht alles gut in Ägypten.

Aus Angst vor Kontroll- und Machtverlust hatte der Pharao angeordnet, alle neugeborenen Jungen im Nil zu ertränken. Was für ein Tyrann! Was für ein Befehl zum Mord an den Kleinsten der Kleinen. Die Starken marschieren durch die Gassen, ihre Stiefel donnern auf den Steinen, und wie immer sind es die Schwächsten, die die Opfer sind. In den Nil mit ihnen! Die Lebensader Ägyptens wird für Israel zum Todesfluss.

Die Mutter sieht, was Gott sah, als ihr Kleiner auf der Welt ist: Es war gut. Nicht gut war, wenn ihr Kind sterben würde. Deshalb versteckt sie das Baby. Springt sofort auf, damit es nicht weint. Nur nicht in Gefahr bringen! Das könnte ihm das Leben kosten! „Mirjam, sag niemandem, dass du ein Brüderchen bekommen hast!“, wird sie zu ihrer Tochter gesagt haben.

Doch länger als drei Monate kann sie den Kleinen nicht verstecken. Sie weiß, es wird nicht mehr lange gut gehen. Daher nimmt sie ein Binsenkörbchen, bestreicht es mit Pech, liegt den Säugling hinein und setzt das Körbchen in das Schilf am Ufer. Mirjam, die große Schwester, soll den Kleinen bewachen, bis er in Sicherheit ist. Mose wird aus dem Wasser gezogen – von der Tochter des Pharao. Sie hört sein Weinen. Sie hat Mitleid mit dem hebräischen Kind. Sie rettet ihm das Leben. Ihm, der später selbst zum Retter werden sollte. Der Kleine bekommt den Namen „Mose“.

Warum nun diese Geschichte zu Weihnachten?

Mose wird – mit Hilfe seiner Mutter, seiner Schwester und der Pharaonentochter – groß. Er lernt am Hofe des Pharaos, was ein Anführer lernen muss: Schreiben und Rechnen, Geschichte und Geographie. Alles unentbehrliche Dinge für einen, der später ein ganzes Volk anführen soll. Noch ahnt er nicht, welches Volk das sein wird. Später erfährt er, dass er einer von den Hebräern ist, und er stellt den Pharao vor die Wahl: Tyrannei oder Menschlichkeit? Heil oder Unheil?

Zwei Möglichkeiten, die im Menschen angelegt sind. Oft wählt der Mensch das, was Gott nicht als gut ansieht. Und so entschloss sich Gott einige tausend Jahre später, in einem Menschen auf die Welt zu kommen.

Sein Wort – „siehe, es war sehr gut“ – wird jetzt zu einem Menschen. Wir haben vorhin gehört, wie es der Evangelist Johannes sagt:  Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. (Joh 1,1.14)

Mose war den Wassern des Todes entkommen, um später seinem Volk zu helfen, den Todeswassern zu entrinnen. Durch die Fluten des Schilfmeeres zogen sie in die Freiheit. Jesus Christus, der Sohn Gott, kam in die Welt, um den Tod ein für alle Mal für uns zu besiegen. Kein Tyrann dieser Welt, keine Macht kann uns mehr von Gott und von seiner Liebe trennen.

Die Mutter des Mose, die übrigens Jochebed heißt, wie wir an anderer Stelle erfahren, vertrautet darauf. Sie übergab ihr kleines Kind dem Wasser in dem Vertrauen, dass Gott es retten würde. Wie viel Rettung trauen wir Gott zu?

Manche erfahren wirklich Wunder. Da gibt es Heilungen, wo niemand das erhofft hätte. Versöhnungen finden statt zwischen lange verfeindeten Menschen. Da passieren Dinge, die wir nie für möglich gehalten hätten. Gott rettet – auch heute.

Er rettet aber auch da, wo das Leid groß ist und erstmal kein Wunder geschieht. Er ist da auf den Palliativstationen und in den Pflegeheimen, in Bunkern und in den Schützengräben, auf den Friedhöfen und in deinem Herzen. Da ist Gott. Er ist da und geht nicht weg. Manchmal merkst du es nicht, aber er ist da.

Wie er Noah in der Arche bewahrte und Mose aus dem Weidenkörbchen rettet, rettet Gott uns durch seinen Sohn, der in die Welt gekommen ist. Mit menschlichen Antlitz, mit Gefühlen, die uns nicht fremd sind, mit Erfahrungen, die auch wir machen. So ist Gott bei uns. Nicht nur an Weihnachten, sondern jeden Tag.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.

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