Predigt zum 3. Sonntag nach Epiphanias über 2 Könige 5,5-19 von Kerstin Strauch

Liebe Gemeinde,

es könnte der Stoff für eine Hollywoodreife Inszenierung sein, die uns der Predigttext aus dem 2. Buch der Könige heute bietet. Da gibt es Intrigen und Machtspiele, schöne Frauen und einen wundertätigen Propheten. Unerwartete Wandlungen bestimmten das Geschehen und der Anfang lässt das Ende noch nicht erahnen. Doch der Reihe nach:

Wir befinden uns im Heiligen Land, ungefähr 900 Jahre vor Christi Geburt. Zu dieser Zeit zieht ein Prophet durchs Land: Elisa ist sein Name. Er ist Schüler des Elia gewesen, auch ein großer Prophet das Alten Testamentes. Beide waren Oppositionsführer ihrer Zeit. Sie wurden nicht müde, gegen das herrschende Königshaus anzugehen und für Gott zu streiten.

Eines Tages nun begegnet Elisa einem wichtigen Mann: Naaman. Dieser ist Kommandeur des Heeres am Königshof von Aram. Er hatte den Aramäern zu wichtigen militärischen Erfolgen verholfen. Doch dieser Naaman leidet unter starkem Hautausschlag, in der Bibel als „Aussatz“ bezeichnet. Das bedeutete Isolation, Einsamkeit. Der Name der Krankheit nennt die sozialen Folgen der Krankheit: Ausgesetzt-sein von anderen und von sich selbst.

Hier klingt ein Thema an, das wir zu gut kennen.

„Es ist nicht alles Gold, was glänzt!“ oder „Wo Licht ist, ist auch Schatten!“ Auf diese Formel bringt der Volksmund die Spannung, die in vielen Lebensgeschichten vorkommt. Erfolgreich auf der einen Seite – unglücklich auf der anderen. Wie kann man damit umgehen?

Szenenwechsel: Wir hören von einem israelischen Mädchen, das die Kriegsleute des Naaman auf einem ihrer kleinen Überfälle in Israel gekidnappt und als Beute mitgenommen haben. Jetzt dient sie der Frau von Naaman. Das Mädchen könnte denken: „Geschieht Naaman ganz recht! Das ist die Strafe dafür, dass sie mich verschleppt haben, weg von meiner Familie, meinen Freundinnen und allem, was mir lieb ist!“

Sie aber sprach zu ihrer Besitzerin: „Ach, wäre mein Herr doch bei dem Propheten in Samaria – dann würde er ihn von seinem Hautausschlag befreien!“ Keine Schadenfreude, sondern Mitgefühl bewegt das Mädchen. Sie sieht, wie sehr der Hautausschlag den Mann leiden lässt. Sie lässt sich anrühren von dem Schicksal des Hausherrn. Sie verschweigt nicht, was sie weiß, sie verschweigt nicht, was sie hofft. Sie redet von dem, was sie wünscht. Sie sagt, wo Heilung zu finden ist: bei dem Propheten in Samaria.

Die Frau sagte das ihrem Mann.

Manchmal sind es ja die kleinen nebensächlichen Hinweise, die einem den Weg weisen, die einen aufmerken lassen auf die Hilfe, auf die Heilung. Wenn man Menschen gut zuhört, die eine schwere Krankheit durchlebt und überlebt haben, dann erfährt man von solchen wunderbaren nebensächlichen Hinweisen, die zu wichtigen Stationen auf dem Weg der Genesung geworden sind.

Zurück zu unserer Geschichte: Naaman berichtet seinem König über das, was das Mädchen gesagt hat. Der König sagt zu ihm: „Geh nur! Ich will außerdem einen Brief an den König von Israel senden!“ Also ging er und nahm zehn Talente Silber, 6000 Goldstücke und zehn Kleidungsstücke zum Wechseln mit. Und er brachte den Brief zum König von Israel mit folgender Aufforderung: „Und jetzt: Wenn dieser Brief zu dir kommt, siehe, dann habe ich Naaman, meinen Getreuen, zu dir gesandt, und du sollst ihn von seinem Hautausschlag befreien!“

Man spürt, der König schätzt seinen Kommandeur, er nennt ihn „meinen Getreuen“, er unterstützt ihn mit einem Empfehlungsschreiben, und er wählt den diplomatischen Dienstweg. Und Naaman nimmt ordentlich viel Geld mit, das sind umgerechnet mehrere Jahresgehälter. Wie mag es weitergehen?

Man könnte sich vorstellen, wie sich der König von Israel geschmeichelt fühlt, dass der stärkere König von Aram ihn bittet.

Im Königspalast in Samaria kommen die Leute mit Naaman an. Naaman überreicht den Bittbrief seines Königs dem König von Samaria, natürlich in der Hoffnung, dieser werde ihn heilen. Doch es kommt anders.

Als nun der König von Israel diesen Brief las, da zerriss er seine Kleider und sprach: „Bin ich etwa die Gottheit, die töten und lebendig machen kann? Da schickt einer doch zu mir, um jemanden vom Hautausschlag zu befreien! Ja, nun erkennt und seht ihr, dass er nur etwas zum Vorwand gegen mich sucht!“ Welche Verachtung spricht aus diesen Worten.

Dazu zerreißt der König von Israel sein Obergewand, ein Zeichen großer Wut! Wie geladen muss jemand sein, der auf einen Bittbrief so reagiert.

Aber, was hatte doch das kleine Mädchen gesagt? „Ach, wäre mein Herr doch bei dem Propheten in Samaria – dann würde er ihn von seinem Hautausschlag befreien!“

Sie hatte von dem Propheten in Samaria gesprochen. Als aber Elisa, der Gottesmann, hörte, dass der König von Israel seine Kleider zerrissen hatte, schickte er zum König und ließ ihm ausrichten: „Warum hast du deine Kleider zerrissen? Er soll zu mir kommen, damit er erkennt, dass es in Israel einen Propheten gibt!“

Da kam Naaman mit seinen Pferden und seinen Wagen und blieb vor Elisas Haustür stehen. Elisa schickte einen Boten zu ihm und ließ ihm sagen: „Geh hin und wasch dich siebenmal im

Jordan, dann wird deine Haut heil zurückkehren und du wirst rein sein!“

Der Gottesmann taucht auf, sozusagen der Stellvertreter Gottes. Nicht der König vertritt Gott, sondern sein Prophet. Was empfiehlt Elisa als Therapie? Dieser große stolze Mann soll sich aller Kleidung entledigen, alle Rüstung ablegen, auf alle Macht verzichten und sich siebenmal waschen. Eine beachtliche Herausforderung, auf Kleidung, Rüstung etc. verzichten und nackt – ohnmächtig – herniedersteigen und sich waschen. Naaman könnte einfach dem Rat des Propheten folgen. Was tut er?

Naaman wurde sehr wütend, ging weg und sagte: „Ich habe mir gedacht: Er wird auf jeden Fall zu mir herauskommen, stehen bleiben und den Namen des Ewigen, seiner Gottheit

anrufen, seine Hand über die Stelle hin- und herbewegen und mich dann vom Hautausschlag befreien. Sind nicht Abana und Parpar die Flüsse von Damaskus, besser als alle Wasser Israels? Kann ich mich etwa nicht in ihnen waschen und rein werden?“

So wandte er sich um und ging im Zorn weg. Offenbar passt die Therapie nicht zu dem Patienten. Elisa lässt sich nicht blicken. Er weiß: Heilung ist nicht seine, sondern Gottes Sache. Er ist nur Gottes Stellvertreter. Naaman kommt in der Erwartung einer Wunderheilung, bei der er nichts weiter tun muss als dafür zu bezahlen.

So ist das im real existierenden Kapitalismus: Für Geld kriegst Du fast alles!

Gerade, wenn uns eine Krankheit überfällt, merken wir, dass die wichtigen Dinge im Leben nicht machbar, nicht käuflich sind: Gesundheit, Vertrauen, gute tragfähige Beziehungen. Elisa verlangt von Naaman, sich nicht aus dem Heilungsprozess herauszuhalten – die moderne Heilkunde setzt genau darauf. Aber Naaman reagiert zornig und geht mit seinen Dienern weg.

Schließlich reden diese ihrem Herrn Naaman noch einmal zu. Sie meinen es gut mit ihm. Und er lässt sich schließlich darauf ein. Naaman stieg hinab und tauchte im Jordan siebenmal unter, gemäß dem Wort des Gottesmannes. Und seine Haut kehrte heil zurück wie die Haut eines kleinen Jungen, und er war rein.

Die einfachen Leute denken anders. Wie zärtlich klingt es, wenn sie an Naaman herantreten mit der Anrede: „Mein Vater“. Das Wunder der Heilung geschieht.

Danach kehrte Naaman mit seinem ganzen Gefolge zu Elisa zurück. Er ging hinein, stand vor ihm und sprach: „Ja! Ich habe nun erkannt, dass es keine Gottheit auf der ganzen Erde

außer in Israel gibt! Und jetzt, nimm doch ein Segensgeschenk von deinem Getreuen an!“ Daraufhin sagte Elisa: „Bei dem Ewigen, vor dem ich stehe – ich nehme nichts an!“ Er aber bedrängte ihn, etwas anzunehmen, doch Elisa weigerte sich.

Die Rückkehr zu Elisa ist ein Bekenntnis zu dem Gott Israels, das in der Erkenntnis

wurzelt, dass dieser Gott der einzige ist.  Der „Behandelte“, der Gesundgewordene, erkennt in der Heilung Gottes Wirken. Der Gott Israels ist der wahre Gott.

Der Schluss ist eine für unsere Ohren außergewöhnliche Bitte.

Da sagte Naaman: „Wenn nicht, dann möge doch deinem Getreuen Erde gegeben werden, und zwar so viel, wie ein Maultiergespann tragen kann! Denn dein Getreuer will keine Brand- und Schlachtopfer anderen Gottheiten mehr darbringen, sondern nur noch dem Ewigen!“ Da sagte er zu ihm: „Gehe hin und lebe wohl!“

Naaman möchte Erde vom Heiligen Land mitnehmen, damit er im fremden Land, in dem andere Götter verehrt werden, den rechten Gottesdienst feiern kann.

So fern ist das dann auch wieder nicht:

Es gibt Menschen, die bringen sich aus dem Heiligen Land Jordanwasser mit, damit ihre Kinder oder Enkelkinder mit Jordanwasser getauft werden. Elisas Antwort ist ganz schlicht und bedeutet, ich entlasse Dich in die Freiheit des Glaubens: Gehe hin und lebe wohl! Wo Gott handelt, geht es anders weiter als man denkt! Und am Ende bleibt noch manches offen.

Wir erfahren leider nicht, wie diese Geschichte den Naaman verändert hat. Wird er weiter ein Kriegsknecht sein? Wie wird er mit dem israelitischen Mädchen umgehen? Das kann man sich schwer vorstellen, dass er einfach so weitergemacht hat.

Jeder von uns kennt Menschen, die eine schwere Krankheit gut überstanden haben.

Vielleicht ist der eine oder andere unter uns selbst einmal durch eine schwere Phase seines Lebens, in der er sich vom Tode bedroht gefühlt hat, hindurchgegangen. Wie haben Sie das Krankenhaus verlassen? Es gibt Menschen, die, wenn Sie eine Krise hinter sich haben, die schwere Zeit deuten als eine Wegstrecke, in der sie Gott begegnet sind, oder in der sie gespürt haben, dass es eine Kraft außerhalb ihrer selbst gegeben hat, die sie getragen hat.

Manche sagen dann: „Wo Gott handelt, geht es anders weiter, als man es sich vorher ausgedacht hat.“

Amen.

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