Predigt zum Sonntag Exaudi über Jeremia 31,31-34 von Volker Strauch

Predigt Jeremia 31,31-34:

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen,

nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, ein Bund, den sie nicht gehalten haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR;

sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein.

Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, sondern sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.

 

Liebe Gemeinde!

Das Brautpaar steht aufgeregt vor der Kirchentür, einen kurzen Moment noch, dann beginnt die Orgel mit ihrem Präludium und wir ziehen gemeinsam in die Kirche ein. Ein festlicher Gottesdienst wird gefeiert, in dessen Mittelpunkt der Segen dieser Beziehung zweier Menschen steht. Sie gehen einen Bund fürs Leben ein, den Ehebund. Das will gut überlegt sein. Dieser Bund soll ein Leben lang halten und nicht gebrochen werden. An Probleme und Konflikte denken in diesem Moment wahrscheinlich die wenigsten Brautpaare, immerhin sind sie sich zu diesem Zeitpunkt ihrer Liebe und Treue gewiss und denken nicht an das Ende, sondern sind am Anfang, freuen sich auf die vielen schönen Dinge, die gemeinsam erlebt werden können. Der Bund des Lebens, der Ehebund, ein sichtbares Zeichen innerer Verbundenheit.

 

Das Volk Israel steht aufgeregt vor ihren Hütten in Ägypten. Einen kurzen Moment noch, dann beginnt die lange Reise durch die Wüste und Israel zieht gemeinsam aus der Sklaverei. Ein festliches Mahl wird gefeiert, in dessen Mittelpunkt die Beziehung zwischen Israel und Gott steht. Sie sind einen Bund für die Ewigkeit eingegangen, ein Bund, der Bestand haben soll. Das will gut überlegt sein. Dieser Bund soll ein Leben lang halten und nicht gebrochen werden. An Probleme und Konflikte denken in diesem Moment die wenigsten Israeliten, immerhin sind sie sich zu diesem Zeitpunkt der Liebe und Treue Gottes gewiss und denken nicht an das Ende, sondern sind am Anfang, freuen sich auf die Freiheit und das Land, in dem Milch und Honig fließen. Der Bund Gottes mit Israel, ein Zeichen für Gottes Verbundenheit.

 

Das gleiche Brautpaar, ein paar Jahre später:

Alltag hat sich eingeschlichen, der Zauber des Anfangs, der Verliebtheit, er ist verflogen. Haushalt, Beruf, Kinder, Freunde, da bleibt kaum noch Zeit für die Beziehung, für Zweisamkeit, für gegenseitige Wertschätzung. Zu stark ist der Alltagstrott und der tägliche Stress, die ersten Probleme und Konflikte tauchen auf. Der Alltag will gemeistert werden und die besonderen Momente, man muss sie sich mühsam erarbeiten. Sie fangen an zu zweifeln: hat das alles noch einen Sinn? Ist das der Mann, ist das die Frau, mit dem, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen will? Kann dieser Bund wirklich halten? Ist dieser Bund tatsächlich tragbar?

 

Das gleiche Volk, gar nicht so viel später:

Ein paar Stunden nur, Israel ist noch nicht weit gekommen, da stehen sie vor dem Meer. Vor ihnen nur Wasser, hinter ihnen die Wüste und die näher rückenden ägyptischen Soldaten. Alles andere als eine alltägliche Szenerie. Doch die Israeliten wünschten sich den Alltag in Ägypten zurück, die Fleischtöpfe, die Sicherheit, das Bekannte. Vor ihnen liegt der Tod, so glauben sie. Sie fangen an zu zweifeln: Ist das noch der Gott, auf den wir vertrauen sollten? Er ist so weit weg und nicht zu sehen und er hat uns in diese Situation gebracht! Hat der Bund überhaupt noch einen Sinn? Soll ich mit diesem Gott den Rest meines Lebens verbringen? Kann dieser Bund wirklich halten? Ist dieser Bund tatsächlich tragbar?

 

Wie kann dieses Paar ihre Krise überwinden? Wie finden sie wieder zusammen? Wie gelingt es, die Konflikte zu überwinden und sich wieder anzunähern?

Wie kann Israel ihre Krise überwinden? Wie finden sie wieder zu Gott? Wie gelingt es, die Konflikte zu überwinden und sich wieder anzunähern?

 

Dem Brautpaar wird wohl kaum einer raten, einmal die Dokumente vom Standesamt über ihre Eheschließung herauszuholen und durchzulesen, dann werde schon alles wieder gut. Das wäre ein wohl sehr abwegiger Vorschlag, der nicht zielführend sein dürfte.

 

Dem Volk Israel erging es genauso. Obwohl Gott immer wieder helfend eingriff, immer wieder für sein Volk da war und an den Bund erinnerte, kehrten sie Gott immer wieder den Rücken, wandten sich Götzen zu, die greif- und sichtbarer waren als Gott, der im Verborgenen blieb. Und auch sie hatten Dokumente, Worte, die sie lesen konnten, aber auch hier waren die Dokumente nicht zielführend. Das Volk verließ Gott und Gott wurde darüber zornig. Es folgte Krieg, Zerstörung, das Exil. Dann jedoch erleben wir einen Sinneswandel: Gott bereut sein Tun, seinen Zorn und alles, was er Israel an Konsequenzen spüren ließ und Gott lässt seinem Volk durch Jeremia ausrichten: Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen,

nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, ein Bund, den sie nicht gehalten haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR;

sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein.

Gott erneuert seinen Bund und dieser Bund soll von anderer Qualität sein als der erste.

Der erste Bund, der Israel in die Freiheit geführt hat, er war nicht von Dauer. Immer wieder brachen die Menschen den Bund, immer wieder folgten sie anderen Göttern und verloren dadurch letztendlich immer wieder ihre Freiheit. Aber nun soll alles anders werden. Das Gesetz, zunächst als Worte aufgeschrieben auf Tafeln, es soll nun in ihre Herzen und in ihren Sinn geschrieben werden. Papier ist geduldig und es können viele kluge Worte zu Papier gebracht werden. Aber wenn sie nicht den Verstand und das Herz erreichen, dann bleiben sie leere Worte, nutzlose Worte. Der neue Bund, er umfasst Herz und Sinn und hat damit Bestand. Er bleibt, für alle Zeit. Und alles, was gewesen ist, soll die Zukunft nicht mehr beeinflussen. Denn, so spricht der HERR; ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.

Ich glaube, dieses Vorgehen würde auch unserem Brautpaar helfen. Man kann die Eheurkunde lange studieren, aber wenn die Liebe zueinander nicht im Herzen und im Sinn verankert ist, dann bleibt das Lesen der Worte folgenlos.

Und wenn sie weiter an den begangenen Fehlern des jeweils Anderen festhalten und nicht vergeben können, dann wird die Beziehung keine Zukunft haben. Aber wenn sie dem Anderen zeigen, und zwar nicht nur durch Worte, dass ihre Liebe und Zuneigung Bestand hat, und sie sich Zeiten nehmen, in denen sie nur für den Anderen da sein können, dann wird die Gewissheit der gegenseitigen Liebe auch ins Herz und in den Sinn übergehen und der Ehebund tatsächlich ein Bund fürs Leben werden.

 

Siehe, es kommt die Zeit… So beginnt unser Predigttext. Und führt uns recht direkt zu der Frage: Wann ist denn diese Zeit? Wann wird der Bund so offensichtlich sein, wann werden alle, Klein und Groß, Israel und Juda, die USA, Syrien, der Iran, wann werden alle Nationen endlich diesen Bund in Herz und Sinn haben?

Alles spricht doch dafür, dass dieser neue Bund noch nicht da ist! Und ja, er ist noch nicht vollendet. Es gibt noch immer Hass, Streit, Krieg, Verletzungen auf vielen Seiten. Und es gibt eine Pandemie und die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, die wir noch überhaupt nicht abschätzen können.

Und doch hat der neue Bund schon begonnen. Ein kleines Stück dieses Bundes konnten wir schon erfahren. Als Christinnen und Christen glauben wir, dass Jesus Christus dieser neue Bund ist. Der neue Bund, er hat schon angefangen. Ganz klein mit dem Kind im Stall. Und Gottes Liebe zu uns Menschen ist in seinem Sohn so deutlich und klar offenbar geworden, dass es vielen in Herz und Sinn geschrieben wurde, was Gottes Plan mit dieser Welt ist. Jesus Christus ist den Menschen in Liebe begegnet, hat sich um schwache, arme, vernachlässigte und ausgestoßene Menschen gekümmert und ist für Frieden und Gerechtigkeit eingetreten. Und er hat durch seinen Tod und seine Auferstehung all das auf sich genommen, was uns von Gott trennte. Nun sind unsere vergeben, ein für alle Mal.

Und trotzdem bleibt die Welt eine unvollkommene. Trotzdem gibt es Leid, Krieg, Streit, Ungerechtigkeit auf der Welt. Trotzdem sterben täglich Menschen, die nicht sterben müssten, wenn wir Menschen etwas friedlicher und gerechter miteinander umgehen würden. Trotzdem sind zur Zeit viele Menschen isoliert und allein, noch mehr Menschen verunsichert und andere bangen um ihre Existenzen in der Zeit der Krise.

Das wäre ein Grund zu verzweifeln, wenn es da nicht Gott gäbe, der trotz allem an seinem Bund festhält.

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR. Das ist Gottes Versprechen. Er steht zu seinem Bund. Auf die Erfüllung dieses Bundes, dieses Vertrages warten wir. Unsere Aufgabe ist es, unseren Teil zu erfüllen. Was wir tun und lassen sollen, erfahren wir durch Gottes Wort. Kraft dazu bekommen wir durch seinen Geist und Ermutigung auf dem Weg durch seinen Segen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.

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