Predigt am Sonntag Invocavit über 2 Korinther 6,1-10 von Kerstin Strauch

Der Predigttext für diesen Sonntag steht im 2. Korintherbrief, im 6. Kapitel. Ich lese die Verse 1-10:

Als Mitarbeiter aber ermahnen wir euch, dass ihr nicht vergeblich die Gnade Gottes empfangt. Denn er spricht (Jes 49,8): »Ich habe dich zur willkommenen Zeit erhört und habe dir am Tage des Heils geholfen.« Siehe, jetzt ist die willkommene Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!

Und wir geben in nichts irgendeinen Anstoß, damit dieser Dienst nicht verlästert werde; sondern in allem erweisen wir uns als Diener Gottes: in großer Geduld, in Bedrängnissen, in Nöten, in Ängsten, in Schlägen, in Gefängnissen, in Aufruhr, in Mühen, im Wachen, im Fasten, in Lauterkeit, in Erkenntnis, in Langmut, in Freundlichkeit, im Heiligen Geist, in ungefärbter Liebe, in dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, mit den Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken, in Ehre und Schande; in bösen Gerüchten und guten Gerüchten, als Verführer und doch wahrhaftig; als die Unbekannten und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten und doch nicht getötet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben und doch alles haben.

 

Gott, regiere du unser Hören und unser Reden durch deinen Heiligen Geist. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

der weite Blick aufs Meer, die Wärme der Sonnenstrahlen, ein leerer Terminkalender, gutes Essen, ausreichend Schlaf, anregende Gespräche. Das tut gut. So etwas haben wir gerade eine Woche lang im Urlaub erleben dürfen. Wunderbar. Sorgenfrei. Nicht so ganz.

Denn gleichzeitig erfuhren wir vom Einmarsch der russischen Truppen in der Ukraine. Seitdem verfolgen uns die Bilder und die Nachrichten überschlagen sich. So viel Leid, so viel Schrecken, so viel Ohnmacht. Keiner kann sich den Berichten entziehen. Blau und Gelb sind die Farben dieser Zeit, die Farben der ukrainischen Flagge. Wenigstens das können wir tun: Unsere Solidarität zeigen, indem wir diese Farben an öffentlichen Gebäude erstrahlen lassen, indem wir zusammenstehen, für den Frieden demonstrieren, uns immer und immer wieder dafür einsetzen, indem wir spenden und Hilfstransporte unterstützen und vor allem: indem wir für unsere Geschwister in der Ukraine beten!

Das tun wir hier in der Gemeinde, zu Hause und an vielen anderen Orten.

Dabei merken wir schnell, wie gut wir es haben. Wir haben ein Dach über dem Kopf, volle Supermarktregale, wir können – wenn auch zu Höchstpreisen – unsere Autos betanken, wir können uns mit Freunden treffen. Wir können den Krieg immer wieder für einen Moment vergessen. Sorgenfrei sein. Aber nie so ganz.

Denn in meinem Inneren ist dieses Gefühl, dass sich – besonders in diesen Tagen – immer wieder breit macht: Es ist etwas nicht in Ordnung! Dieses Gefühl kommt hoch, wenn wir persönlich in Schwierigkeiten stecken, Streit haben oder schlechte Nachrichten verdauen müssen, wenn wir krank sind oder uns sonst etwas schwer auf der Seele liegt. Das muss nichts ganz Großes sein, aber irgendwie signalisiert mir mein Körper und meine Seele: Hier ist etwas nicht in Ordnung!

Und so auch jetzt. Es ist ein kollektives Gefühl der Ohnmacht und Angst, der Sorgen, ausgelöst von diesem Krieg in der Ukraine. Und doch leben wir unseren Alltag weiter.

Wir gehen zur Arbeit, wir erledigen Einkäufe, die Schulen haben auf, die KiTas auch, wir planen und organisieren. Das ist auch gut so. Denn unser Leben steht nicht still. Unser Herz schlägt weiter, die Erde dreht sich weiter.

Paulus hat in seinem Leben viele Kämpfe ausgestanden, äußere wie innere. Er ist ein großer Friedenskämpfer geworden – die Worte vom „Frieden Gott, der höher ist als unsere Vernunft“ hat er immer wieder zitiert. Der Predigttext aus dem 2. Korintherbrief beschreibt die ungeheure Spannung, in der unser Leben steht. Eine lange Liste führt Gefühle und Anfechtungen, Schwierigkeiten und gute Erfahrungen aus. Das alles macht unser Leben aus. Aber worum geht es Paulus hier?

Er möchte erklären, was es bedeutet als Christ oder Christin zu leben. Paulus spricht von Dienerinnen und Dienern Gottes. Wir alle dienen Gott und er dient uns. Nichts anderes passiert übrigens auch gerade hier, deshalb sprechen wir ja vom „Gottes-Dienst“. Wir dienen Gott, indem wir ihm nachfolgen, uns für ihn öffnen und versuchen, seiner Liebe in unserem Leben Raum zu geben. Das tun wir z.B. dadurch, dass wir uns um andere kümmern, indem wir für andere beten, etwas Gutes für Gott tun. Es wäre falsch, dass als Bedingung für Gottes Liebe zu uns anzusehen – dagegen hat sich ja schon Martin Luther vehement ausgesprochen. Aber wer Jesus Christus nachfolgt, der merkt, dass solche Dinge einfach fast selbstverständlich passieren.

Und Gott dient uns, indem er für uns da ist, uns so liebt, wie wir sind, uns niemals fallen lässt, uns von der Macht des Todes befreit. Denn auch das ist heute Thema: Wir stehen am Anfang der Passionszeit. Die letzten Lebenswochen Jesu werden in diesen Wochen besonders bedacht. Was hat sein Leiden, sein Tod mit uns zu tun? Warum ist das wichtig?

Wir erleben Gott als einen Gott, der es unbedingt mit uns zu tun haben will. Der uns wie ein bester Freund begleitet – egal was gerade los ist in unserem Leben. Gott ist da, wenn ich am Strand spazieren gehe, der Wind mir durch die Haare fährt, die Sonne meine Haut wärmt und es mir einfach nur gut geht. Er ist da, wenn die Mutter mit ihren kleinen Kindern Lebewohl sagen muss zu Bruder und Vater am Bahnhof von Kiew. Gott ist da, wenn wir uns mit Freunden zum Spieleabend treffen. Er ist da, in den leeren Straßen der Kriegsgebiete, in den Bunkern und Flüchtlingslagern. Er hält das aus, was keiner ertragen kann. Im Leiden und im Glück – Gott ist da.

Das ist es, was Gnade bedeutet. Gottes Gegenwart können wir uns nicht verdienen. Er ist einfach für uns da, aus Gnade. Daraus leben wir. Daraus ziehen wir Kraft.

Und so darf es sein, dass wir mitten im Leid der Welt auch fröhliche Momente erleben dürfen. Dass wir am Abend alles Ungelöste, unsere ganze Ohnmacht, in Gottes Hand fallen lassen können. Dann wird die Gnade nicht vergeblich sein. Sie fällt mit in unser Herz, in unsere Seele. Das wird nicht ohne Folgen bleiben. So hören wir auch bei Paulus einen Satz, den schon der Prophet Jesaja einige Jahrhunderte vorher sagte, wo er Gott zitiert, der spricht: »Ich habe dich zur willkommenen Zeit erhört und habe dir am Tage des Heils geholfen.« Siehe, jetzt ist die willkommene Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils! Auch jetzt, in diesen schwierigen Zeiten, ist der Tag des Heils. Denn Gott errettet. Dafür ist Jesus den Weg ans Kreuz gegangen.

Amen.

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