(1. Wohin? Die Zukunft ist unsicher!)
Liebe Gemeinde,
an diesem Wahlsonntag beschäftigt viele die Frage: Was wird werden? Wohin steuert unser Land, wohin Europa, wohin die Welt? Und wie wird gesteuert? Die Wahl der Mittel wird entscheiden, wie unsere Zukunft aussehen wird und ich verhehle nicht, dass ich mir Sorgen mache.
Vieles ist geschehen in den letzten Jahren, vieles lief und läuft im Krisenmodus. Die Finanzen waren in der Krise, die Flüchtlingskrise, die militärischen Krisen, die Pandemie war eine einzige Krise. Wir leben damit und können uns doch nicht daran gewöhnen. Wie auch? So viele sehnen sich nach Sicherheit, nach Frieden, nach Ruhe. Aber das stellt sich nicht von alleine ein. Es ist trügerisch zu glauben, wir bekämen Sicherheit, Frieden und innere Ruhe, indem wir einfach nichts mehr tun, uns zurückziehen, nur noch im Privaten etwas tun. Denn das, was uns als Gesellschaft bewegt, hat Auswirkungen bis in jede Familie.
Es gibt Dinge, die sind vorgegeben, die können wir nicht ändern. Das gilt es zu akzeptieren. Wo aber ist unser Handlungsspielraum? Was lässt sich von uns ändern?
Um diese Frage zu beantworten, begleiten wir heute den Apostel Paulus ein Stück auf seinen Reisen. Ich lese den Predigttext für diesen Sonntag aus dem 16. Kapitel der Apostelgeschichte (VV. 9-15):
Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: Ein Mann aus Makedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Makedonien und hilf uns! Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Makedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen.
Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis und von da nach Philippi, das ist eine Stadt des ersten Bezirks von Makedonien, eine römische Kolonie. Wir blieben aber einige Tage in dieser Stadt. Am Sabbattag gingen wir hinaus vor das Stadttor an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen.
Und eine Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, eine Gottesfürchtige, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, sodass sie darauf achthatte, was von Paulus geredet wurde. Als sie aber mit ihrem Hause getauft war, bat sie uns und sprach: Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da. Und sie nötigte uns.
Herr, regiere du unser Hören und unser Reden durch deinen Heiligen Geist. Amen.
Am Anfang stand auch bei Paulus die Frage: Wohin? Wohin steuert das Schiff, mit dem ich unterwegs bin? Was ist mein Ziel? Mit sehr viel Mut und einer großen Überzeugung trat der Apostel auf. Er fühlt sich von Christus selbst berufen. Diese Lebenswende war so groß, dass er fortan umherreiste, um den Menschen das Evangelium zu bringen. Aber trotz seines großen Mutes und seiner Überzeugung gab es auch bei Paulus viele Momente der Unsicherheit. Auch er lebte in Krisenzeiten.
Er hat keine seiner Reisen von langer Hand geplant. Auch jetzt war es so, dass er nicht wusste, wohin er reisen sollte. Die Apostelgeschichte schreibt: Als sie aber bis nach Mysien gekommen waren, versuchten sie, nach Bithynien zu reisen; doch der Geist Jesu ließ es ihnen nicht zu. (Apg 16,7) Der Geist ließ es nicht zu. Sie wurden gehindert, ihre Pläne durchkreuzt. „Was soll werden?“, fragte sich Paulus vielleicht das ein oder andere Mail. „Wie kann es denn weitergehen mit den christlichen Gemeinden? Haben sie eine Zukunft, ja wird es sie überhaupt geben?“ Das waren seine Fragen. Und wie so oft, wenn wir selbst nicht mehr weiterwissen, ereignet sich etwas – manchmal auch im Traum.
(2. Wie finde ich Antworten – vielleicht im Traum?)
So auch bei Paulus. Er sieht einen Mann aus Makedonien. Warum er ihn als solchen erkennt, ist nicht klar. Paulus war ja noch nie dort gewesen. Dieser Mann fordert Paulus im Traum auf: „Komm herüber und hilf uns!“ Jetzt weiß Paulus, wie es weitergeht. Er und seine Begleiter machen sich auf den Weg. Ein langer Weg liegt vor ihnen, bis nach Makedonien.
(3. Gerufen – wer ruft mich? Will ich gerufen werden?)
Liebe Gemeinde, es ist schwer, Unsicherheiten auszuhalten, besonders, wenn sie schwerwiegend sind. Die Frage nach der Zukunft gehört zu diesen schweren Unsicherheiten. Was wird werden? Der Wahlausgang wird die Zukunft beeinflussen. Wir können (und wir sollten) unseren Teil dazu beitragen, indem wir wählen gehen. Kontrollieren können wir die Zukunft nie. Genauso wenig wie Paulus. Er gab Kontrolle ab, weil er darum wusste. Und so begegnet ihm etwas im Traum.
Träume können nachts geschehen oder auch tagsüber. Nicht immer müssen sie im Schlaf passieren. In Träumen lässt sich so manches entdecken, über das wir nicht bewusst verfügen. Auch Träume von einer besseren, gerechteren Welt haben Einfluss auf unser Leben, denn sie können unser Handeln verändern. Wenn ihr mögt, könnt ihr das einmal ausprobieren: Stellt euch ganz konkret unsere Gemeinde vor, so, wie ihr sie gerne erleben würdet. Was wäre anders? Was gefällt euch besonders daran? Träumt diesen Traum möglichst konkret. Er wird nicht ohne Folgen bleiben.
Paulus erlebte im Traum, wie er gerufen wurde. Er wurde von dem Mann um Hilfe gerufen. Er soll das Evangelium zu den Menschen in Makedonien bringen. Er sah diesen Menschen sehr bildlich vor sich. Der Traum war sehr konkret. Und so wusste Paulus, was zu tun war.
Wer ruft uns? Ich bin sicher, da gibt es welche. Es sind Rufe, die mit dem Herzen hörbar sind.
Heute möchte ich euch ermutigen, genau hinzuhören, wer euch ruft, wer euch braucht, wer etwas von Gott erleben möchte. Das sind Menschen, die den Weg selber hierher nicht finden würden – höchstwahrscheinlich. Es braucht Begegnung, Ermutigung, Begleitung.
(4. Was hören wir heute und wird uns auch das Herz geöffnet?)
Auf dem Weg nach Makedonien begegnete Paulus einer sehr außergewöhnlichen Frau, der Lydia. Nicht in der Synagoge trifft er sie, sondern er geht an einen Platz am Fluss, wo es heißt, dass sich die Leute treffen. Dort spricht er mit ihr und den anderen Frauen. Wir lernen an dieser Stelle übrigens, dass es gerade auch Frauen waren, die für die frühe Kirche wichtige Stützen und Gemeindegründerinnen waren. So wie Lydia. Ihr öffnete der Herr das Herz, heißt es. Sie war empfänglich für das, was Paulus und seine Gefährten verkündigten. Sie spürte die Liebe Gottes und die lebensverändernde Kraft des Evangeliums. Daraufhin ließ sie sich und ihr ganzes Haus, das heißt, alle, die zu ihr gehörten, taufen.
Was hören wir heute, liebe Gemeinde? Welchen Hilferuf nehmen wir wahr? Und öffnet auch uns Gott das Herz? Öffnet er es auch den Menschen, mit denen wir leben?
Wir werden es nicht kontrollieren können. Aber wir müssen deshalb nicht untätig bleiben. Ganz im Gegenteil. Lasst euch rufen! Haltet Ohren und Herzen offen! Der Handlungsspielraum ist groß. Wir wissen nicht, wie die Zukunft aussehen wird, aber wir können von ihr träumen und sie mitgestalten. Gott öffne unsere Herzen und unseren Verstand dafür.
Amen.