Predigt zum 1. Sonntag nach Ephiphanias über Römer 12,1-8

Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im 12. Kapitel des Römerbriefes. Ich lese die Verse 1-8:

1 Ich ermahne euch nun, Brüder und Schwestern, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr euren Leib hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. 2 Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.

3 Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sich’s gebührt, sondern dass er maßvoll von sich halte, wie Gott einem jeden zugeteilt hat das Maß des Glaubens. 4 Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, 5 so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied. 6 Wir haben mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist. Hat jemand prophetische Rede, so übe er sie dem Glauben gemäß. 7 Hat jemand ein Amt, so versehe er dies Amt. Ist jemand Lehrer, so lehre er. 8 Hat jemand die Gabe, zu ermahnen und zu trösten, so ermahne und tröste er. Wer gibt, gebe mit lauterem Sinn. Wer leitet, tue es mit Eifer. Wer Barmherzigkeit übt, tue es mit Freude.

 

Liebe Gemeinde,

sie kümmerte sich aufopferungsvoll um ihre Familie. Als die Kinder noch klein waren, was sie Vollzeit-Mutter. Sie kannte alle Fingerspiele, kochte selbst Gemüsebreie statt Gläschen zu kaufen, ging in die Pekip-Kurse. Später war sie selbstverständlich im Elternbeirat der KiTa engagiert und in der Elternpflegschaft der Schulen. Sie fuhr mit auf Klassenausflüge, machte hervorragende Obstspieße oder Vollkorn-Muffins. Sie liebte ihre Kinder über alles und tat alles, damit sie glücklich würden.

Es war schwer, als sie das Haus verließen und ihre eigenen Wege gingen. Doch es dauerte nicht lange, da brauchten ihre Eltern mehr Fürsorge. Sie organisierte die Arzttermine, fuhr regelmäßig zu den Eltern, putzte die Wohnung, machte die Wäsche – alles selbstverständlich. Auch war sie eine gute Zuhörerin, schenkte Zeit und Zuwendung. Sie opferte sich auf für ihre Lieben.

Paulus fordert uns auf, unser Leben als Opfer zu geben. Etwas zu opfern, das heißt doch, etwas aufzugeben, abzugeben, zu schenken. Ein Opfer bringen – das ist etwas, was mir nicht leichtfällt. Welche Opfer bringen Sie?

Die Menschen, die zur Zeit Jesu lebten, brachten Opfer am Tempel in Jerusalem. Seitdem der Tempel dort unter König Salomo errichtet worden war, gehörte das Opfern zu den täglichen Ritualen. Die Gläubigen kamen dorthin, um Gott anzubeten, und sie brachten ihm etwas mit: Schafe, Rinder, Ziegen und Tauben wurden verbrannt oder geschlachtet und Gott dargebracht. Das Volk Israel hatte vor langer Zeit diese Rituale begonnen, um nicht mit leeren Händen vor Gott zu stehen. Andere Völker hatten in alter Zeit noch Menschen für ihre Götter geopfert. Das hatten die Israeliten nicht getan. Mit ihren Opfern wollten sie Gott ehren und zeigen: ihm alleine gebührt die Macht und Anbetung.

Diese Opfer hat Paulus im Hinterkopf, wenn er sagt: Ich ermahne euch nun, Brüder und Schwestern, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr euren Leib hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. (Röm 12,1)

Das ist viel schwerer als damals ein Opfer am Tempel zu vollziehen. Es ist keine festgelegte kultische Handlung: Ich kaufe ein Tier, ich bringe es zum Priester, es wird geopfert und ich habe für Gott etwas Gutes getan. So funktioniert es nicht.

Wenn unser ganzes Leben ein Gottesdienst sein soll und unser Leib ein Opfer, heißt das: Immer, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, dienen wir Gott. Wir tun das nicht mit toten Tieren, sondern mit unserem lebendigen Leib. Wir opfern uns auf, aber in einem guten Sinne.

Gut ist es, wenn wir nicht meinen, alles perfekt machen zu müssen. Das geht – um Gottes willen! – nicht. Paulus kommt auf verschiedene Gaben und Talente zu sprechen. Er zählt sie auf: die prophetische Rede, der Dienst in einem Amt, ein Leitungstalent, das Lehren und Unterrichten, das Kümmern um den Nächsten, das Trösten, das Spenden und Geben, Möglichkeiten des materiellen Reichtums. All das sind Gaben. Diese sollen in der Gemeinde lebendig seien. Und hier entdecken wir ein Bild, das wir schon aus dem 1. Korintherbrief kennen: Wir sind ein Leib mit vielen Gliedern. Diese Glieder gehören zusammen, werden zusammengehalten durch Jesus Christus. Jeder Körperteil braucht das andere. Keines ist unnütz. Damit das Zusammenspiel klappt, müssen jedoch die Gaben und Fähigkeiten entdeckt werden. Das ist Aufgabe jeder Gemeinde, die lebendig bleiben will.

Wie aber kann ein Körper zusammenhalten, wenn er nicht zusammen sein darf? Das ist die große Frage in unserer momentanen Situation. Auch hier sind Kreativität, Ausdauer und Fürsorge gefragt. Denn der Leib existiert, auch wenn die Körperteile nicht zusammen sein können. Die Anatomie dieses Gemeindeleibes ist phänomenal und nicht an medizinische Voraussetzungen gebunden. Das Ohr kann in der Luisenstraße sein, während der Fuß im Schachen wohnt. Das Auge ist in der Schloßstraße zu Hause und der Arm in Erlenbrunn. Auch weit über unsere Stadtgrenzen hinaus existiert der Leib, den Paulus hier meint. Er existiert, wenn wir weiter mithelfen, dazu zu gehören. Wir können miteinander reden, telefonieren, schreiben. Wir können füreinander beten und uns kümmern. Wir können miteinander hoffen und darauf vertrauen, dass Gott für uns sorgt. Dann ist unser ganzes Leben ein vernünftiger Gottesdienst.

Sich um sich selbst zu kümmern, ist ein wichtiges Ziel. Selbstfürsorge, life-work-balance, Achtsamkeit – all das soll diesem Ziel dienen. Viele Menschen haben in diesen Wochen Zeit dafür. Und doch erlebe ich die wenigsten als glücklich und erfüllt. Wer in erster Linie nur für sich sorgt, ist nicht erfüllt. Erfüllung geschieht in der Regel da, wo ich etwas von mir schenke. Und doch muss es vernünftig sein.

Selbstaufopferung ist nicht gut, wenn sie in Selbstaufgabe mündet.

Sie kümmerte sich um alle – um ihre Kinder, ihren Partner, um die Eltern, dazu um die Nachbarn und Freunde. Sie war immer hilfsbereit, hatte ein offenes Ohr und ein offenes Herz. Das öffnete allerdings auch der permanenten Überforderung das Tor. Sie brannte aus. Wurde unglücklich und krank. Irgendwie funktionierte sie weiter. Aber gut war das nicht.

In einem berühmten Text von Bernhard von Clairvaux, dem Mitbegründer des Zisterzienserordens, ist von der Schale der Liebe die Rede. Diese Schale muss gut gefüllt sein, um überzuströmen. Es ist wichtig, dass wir diese Schale täglich füllen: mit guten Worten, Gebeten, mit Vertrauen und Hoffnung – damit wir sie überließen lassen können. Dann wird unser Leben ein täglicher Gottesdienst sein.

Und so schließe ich mit dem Text von Bernhard von Clairvaux:

Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale und nicht als Kanal,

der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt,

während jene wartet, bis sie gefüllt ist.

Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfließt, ohne eigenen Schaden weiter.

Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugießen und habe nicht den Wunsch freigiebiger zu sein als Gott.

Die Schale ahmt die Quelle nach. Erst wenn sie mit Wasser gesättigt ist, strömt sie zum Fluss, wird sie zur See. Du tue das Gleiche! Zuerst anfüllen, und dann ausgießen.

Die gütige und kluge Liebe ist gewohnt überzuströmen, nicht auszuströmen.

Ich möchte nicht reich werden, wenn du dabei leer wirst.

Wenn du nämlich mit dir selber schlecht umgehst, wem bist du dann gut?

Wenn du kannst, hilf mir aus deiner Fülle,

wenn nicht, schone dich.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus, unserem Herrn. Amen.

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