Liebe Gemeinde,
wir haben zwei verschiedene Versionen des letzten Abendmahls gerade als Schriftlesungen gehört. Und ganz unterschiedliche Schwerpunkte setzen Matthäus auf der einen und Paulus auf der anderen Seite. Ist Matthäus ganz dicht bei den Jüngern und ihren Fragen, richtet sich der Blick im Korintherbrief eher in die Zukunft, auf die Wiederkunft Christi.
Ich möchte bei den Jüngern von Matthäus bleiben mit ihren Fragen: „Bin ich’s?“
Alle Jünger, ausnahmslos, fragen Jesus nach seiner Ankündigung: „Bin ich’s?“
Ich höre Unsicherheit, Angst heraus aus dieser Frage und das jeweils eigene Gefühl: Ja, dazu wäre ich in der Lage. Ich könnte zum Verräter werden.
Die Jünger wissen um ihre Schwächen und Fehler, um ihren Kleinglauben und ihre großen Zweifel. Immer wieder kommen sie an ihre Grenzen, selbst in Jesu Nähe und Gegenwart haben sie Angst und Zweifel. Und jetzt, wo er ihnen mitteilt, dass er gleich verraten wird, steigt ihre Angst.
„Werde ich scheitern, werde ich meinen und den Ansprüchen anderer genügen? Oder werde ich wieder mich und andere enttäuschen, verletzten, verraten?“
Diese Fragen sind den Jüngern nicht fremd, keinem einzigen von ihnen.
Ich denke, diese Fragen sind auch uns nicht fremd. Wir wissen ganz genau um unsere Schwächen, unsere blinden Flecke, unsere Achillesferse. Wir versagen immer wieder, wir machen Fehler, wir enttäuschen uns und unsere Nächsten. Wir tun, wir sagen, wir sind nicht genug, wir scheitern.
Und das tun die Jünger auch. Alle verraten Jesus, nach und nach. Judas ist nur der Anfang, er lässt sich seinen Verrat sogar 30 Silberstücke kosten und als er seinen Fehler erkennt und bereut, ist es bereits zu spät. Doch auch alle anderen verraten Jesus, fliehen vor der übergroß erscheinenden römischen Besatzungsmacht, verstecken sich, laufen davon. Selbst Petrus, der davor sehr selbstsicher daherkommt, verrät seinen Meister und Lehrer dreimal.
„Bin ich’s?“ Diese Frage der zwölf Jünger könnte Jesus im Grunde genommen ausnahmslos mit „Ja“ beantworten und dieses „Ja“ gelte auch uns.
In diesen Tagen, am Gründonnerstag und an Karfreitag kommt die dunkelste Seite von uns Menschen zum Vorschein. Und das ist zum Verzweifeln.
Das wäre zum Verzweifeln, wenn die Geschichte damit zu Ende wäre.
Doch es gibt Hoffnung, die die Verzweiflung besiegt, das wissen wir, die wir nach Ostern leben. Aber auch im Predigttext bei Matthäus finden sich diese Hoffnungszeichen, vielleicht nicht so offensichtlich wie im Osterevangelium.
Für mich steckt die Hoffnung zunächst einmal darin, dass Jesus trotz seines Wissens um das Versagen seiner Freunde mit ihnen Gemeinschaft hält. Er sitzt mit ihnen am Tisch, isst und trinkt und gibt ihnen Worte und Speise mit auf den Weg für die Zeit nach seinem Tod. Er weiß um das Scheitern seiner Jünger, aber er gibt sie nicht auf. Er hält an ihnen fest, er macht ihnen Hoffnung, trotz allem.
Über dem Gründonnerstag steht ein großes „Trotzdem“:
Trotz unserer Schuld spricht Jesus von Vergebung.
Trotz unseres Verrates bleibt Jesus treu.
Trotz unseres Scheiterns bricht Jesus mit uns das Brot.
Trotz unserer Verzweiflung verspricht Jesus uns Gemeinschaft mit ihm im Reich Gottes.
Dieses Trotzdem macht es mir möglich, nicht in Verzweiflung, Schuld, Verrat und Scheitern zu versinken, sondern voller Hoffnung in die Zukunft zu blicken, immer wieder neu anzufangen und selbst mitzubauen am Reich Gottes.
Und es werden immer wieder Verzweiflung, Schuld, Verrat und Scheitern über mich kommen, aber ich werde trotzdem nicht daran zu Grunde gehen.
Weil Jesus um all das weiß und trotzdem mit mir Gemeinschaft haben will, heute im Abendmahl und am Ende der Zeit in Gottes Reich.
Und so schließe ich meine Predigt genauso hoffnungsvoll ab wie unser Predigttext, nämlich mit dem Lobgesang:
Lobsingt, ihr Völker alle, lobsingt und preist den Herrn. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.